Abholzung, Pestizide, Armut: Besuch bei Brasiliens Agrarindustrie

Ein Mann lehnt an einem Zaun und blickt auf ein Baumwollfeld mit Ballen im Abendlicht.
Der Grüne EU-Parlamentarier Thomas Waitz schaute sich jene Agrarindustrie an, der ein Abkommen mit der EU bald neue Wege auch nach Europa öffnen soll.

Sojafelder und Rinderweiden bis zum Horizont, in Europa verbotene Insektenvernichtungsmittel, die aus dem Flugzeug über die Landschaft verteilt werden – und 3000 Kilometer „Soja-Autobahn“, die drei Ernten pro Jahr direkt zu den Häfen am Atlantik bringen, und damit auf den Weltmarkt für Agrarprodukte.

Wenn Thomas Waitz die Eindrücke seines Besuches in Brasilien schildert, hantiert der Grüne EU-Parlamentarier ständig mit astronomisch wirkenden Zahlen und Größenordnungen. „Gewaltig und beeindruckend sei das alles“, meint der Grüne im EU-Parlament, „allerdings im negativen Sinn.“

Elf Mal Österreich

Zwei Wochen lang hat Waitz Brasilien besucht, das heißt vor allem den Bundesstaat Mato Grosso, ist doch der alleine elfmal so groß wie Österreich und der fünftgrößte Produzent der Welt. Landwirtschaft wird dort fast ausschließlich industriell betrieben, von Großgrundbesitzern, die in Rio, oder Sao Paulo leben und von ihren Zehntausende Hektar großen Farmen persönlich nur die Einnahmen zu sehen bekommen.

Ein Mann geht durch ein abgebranntes Waldgebiet.

EU-Vertrag

Und diese Einnahmen könnte ein neuer Handelsvertrag mit der EU noch weiter steigern. Brasilien ist das größte Land des Lateinamerika-Staatenbündnis Mercosur. Seit Jahrzehnten wird mit der EU über einen Handelsvertrag verhandelt. Spanien, derzeit Vorsitzland der EU, sieht ihn als Prestigeprojekt und will ihn nach Möglichkeit zum Abschluss bringen. Soja, Mais und Rindfleisch aus Brasilien könnten dann deutlich leichter nach Europa exportiert werden.

Eine Herde weißer Kühe steht mit ihren Kälbern auf einer trockenen Weide.

Rinderherde in Mato Grosso

 

Für Rindfleisch verlangt Europa nicht nur strenge Mengenbeschränkungen, sondern vor allem genaue Angaben über die Herkunft. Für die riesigen Rinderherden, so die Vorstellung in Brüssel, soll kein Regenwald im Amazonas gerodet worden sein. Diese Vorstellung aber ist für Waitz nach seinem Besuch vor Ort naiv: „Diese Rinder haben grundsätzlich keine Ohrmarken, man kann also nicht wissen, woher das Fleisch kommt - und ob dafür Regenwald gerodet wurde.“

Abholzung

Dass Regenwald verschwindet, und zwar weiterhin im Eiltempo, sieht der Grüne als Tatsache. Einstige Feuchtgebiete in Mato Grosso seien in den vergangenen Jahren unaufhörlich geschrumpft. Sogar Naturlandschaften in der Randzone eines Nationalparks seien von riesigen Monokulturen abgelöst worden. Brandrodung sei an der Tagesordnung – „und diese Brände geraten regelmäßig außer Kontrolle.“

Krebs und Fehlgeburten

Mit dem Regenwald und der Savanne sei auch der Lebensraum der Ureinwohner verschwunden. In den ärmlichen Siedlungen, in denen viele heute wohnen, hat der Pestizid-Einsatz seine Spuren hinterlassen: Es gibt erhöhte Raten von Krebs, Fehlgeburten, oder Missbildungen bei Babys. Als „Krieg gegen uns“ würden die Menschen dort, den Einsatz der Pestizide schildern. Wenn sie auf den Feldern, oder bei den Rinderherden der Großgrundbesitzer Arbeit finden würden, dann unter oft erschreckenden Bedingungen, die „sklavenartigen Verhältnissen“ sehr nahe kommen würden.

Die Macht des Gouverneurs

Auch vor neuen linke Regierung des Landes unter dem Präsidenten Lula da Silva sei nicht die große Wende in der Agrarindustrie Brasiliens und bei der Abholzung des Regenwaldes zu erwarten. Erstens habe der nur äußerst wackelige Mehrheiten in den beiden Häusern des Parlaments und zweitens habe in Bundesstaaten wie Mato Grosso vor allem die regionale Regierung und der Gouverneur das Sagen. Dass der in Mato Grosso zugleich Besitzer der größten Goldmine ist, zeige ziemlich deutlich, wessen Interessen die Politik bestimmen würden. Schließlich sei auch der Goldabbau einer der größten Vernichter von Naturlandschaften.

China als Markt

Für Brasiliens Agrarindustrie stehe Europa und ein Handelsabkommen mit der EU ohnehin nicht im Vordergrund. Die Hauptmasse der Erzeugnisse geht ohnehin nach China. Dem geplanten Mercosur-Pakt will der Grüne nicht grundsätzlich eine Absage erteilen. Nur seien große Teile des Abkommens schon vor vielen Jahren entworfen worden.

Ökologische Bedenken

Die müssten jetzt eigentlich neu verhandelt, auf „einen modernen Stand gebracht“ werden. Gerade ökologische Bedenken müssten jetzt, wo der Klimawandel auch in Brasilien immer deutlicher sichtbar wird, viel stärker berücksichtigt werden. Die EU jedenfalls hat ihre Änderungswünsche bereits formuliert, die erste Antwort der Lateinamerikaner nach Brüssel lässt vorerst nicht auf allzu viel Zugeständnisse hoffen. Auch in der EU werden erste Zweifel an dem Pakt laut. 
Europa brauche neue Partner, meinen die Befürworter, gerade  unter den Demokratien in Lateinamerika. Die Bedenken des Grünen aber sind grundsätzlich:  „Die Entwicklung und Modernisierung Brasiliens bringt dieser Pakt nicht weiter.“

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