Botschaft an „Amerikas Feinde“

Assange, Snowden, Manning: Die Geheimnisverräter als Schicksalsgemeinschaft.

Schuldig, schuldig, schuldig.“ So lautete das Urteil gegen WikiLeaks-Informanten Bradley Manning vor dem Militärgerichtshof Fort Meaden. Der Obergefreite wurde, wie berichtet, in den meisten der 22 Punkte schuldig gesprochen. Alleine acht der Urteile besagen, dass Manning ein Spion ist – nach einem Gesetz von 1917. Das Strafausmaß kann 136 Jahre Haft betragen. Im schwersten Punkt, „Unterstützung des Feindes“ sprach ihn Richterin Lind jedoch frei. Darauf wäre lebenslang ohne Bewährung gestanden.

Präzedenzfall

NGOs und Medienvertreter in den USA sind nun alarmiert: Mannings Schicksal gilt nun vielen als Exempel, das die USA an Whistleblowern statuiert. Wer kann schon einschätzen, ob sich „Amerikas Feinde“ durch manche Information Vorteile verschaffen, fragen sich US-Journalisten und Bürgerrechtsgruppen nach dem Urteil. Und ist jeder Informant ein Spion? Nach dieser Logik könnten viele Reporter belangt werden. Wenn sie überhaupt noch an brisante Informationen gelangen.

„Wenn ihr eure Pflicht zur Geheimhaltung brecht, dann werden wir euch aufstöbern und zur Strecke bringen“, formuliert es etwa Bill Keller, früher Chefredakteur der New York Times. Das Urteil sei als Botschaft gedacht nach London und Moskau – wo die beiden anderen Feinde des Weißen Hauses sitzen. Julian Assange befindet das Urteil als „gefährlichen Präzedenzfall“ und unterstellt den USA „Sicherheits- Extremismus“.

Assanges persönliches Los ist mit Mannings eng verbunden. In den USA könnte der Australier, der sich seit über einem Jahr in der ecuadorianischen Botschaft Londons versteckt, als Mitverschwörer verfolgt werden. In einem Prozess gegen Assange als Medienvertreter, der geheimen Informationen eine Plattform gab, könnte Mannings Fall als Vorbild dienen. Assange ist auch das Bindeglied zum Dritten im Bunde: Edward Snowden. Wiki­Leaks steht in engem Kontakt zum NSA-Informanten und beantragte in seinem Namen Asyl in einigen Ländern. Auch Snowdens Anreize, sich US-Behörden zu stellen, sind nicht größer geworden durch dass Urteil von Fort Meade. Snowdens Vater Lon riet seinem Sohn im Gespräch mit der Washington Post dazu, in Russland zu bleiben. Käme er nach Hause, „würden sie ihn in ein Loch schmeißen.“

Das FBI habe ihn dazu bewegen wollen, Edward in die USA zu lotsen, sagte Lon Snowden. Er habe abgelehnt. Die Familien Manning und Snowden sagen einhellig, die beiden Whistleblower liebten ihre Heimat. Lon Snowden: „Als Vater schmerzt es mich. (...) Aber als Bürger bin ich ihm absolut dankbar.“

Trotzdem das mögliche Asylland Russland den Informanten Edward Snowden aufgefordert hatte, keine Enthüllungen mehr zu veröffentlichen, stand am Mittwoch der nächste Coup an: Der britische Guardian zeigte unter Berufung auf die bereits bekannten Snowden-Akten die Präsentation eines NSA-Programms mit Namen „XKeyscore“ aus dem Jahr 2008. Damit habe der Nachrichtendienst de facto Zugriff auf Internetdaten von Menschen auf der ganzen Welt. Agenten könnten mit wenigen Mausklicks „enorme Datenbanken“ durchforsten wie mit einer Suchmaschine. Damit seien sie in der Lage, nach Namen, Mail-Adressen und Schlagworten zu suchen und bräuchten dafür nicht einmal die Zustimmung eines Richters. Sogar das Ausspähen eines Users in Echtzeit sei möglich.

Die Veröffentlichung des Programms kam just am selben Tag, als die US-Behörden einen Schritt in Richtung Transparenz vollziehen wollten. Im Internet wurden drei zum Teil geschwärzte Dokumente veröffentlicht, die mehr Klarheit über die Sammlung von Telefondaten durch die NSA bereiten sollten. „Je mehr wir dem amerikanischen Volk zugänglich machen können, desto besser“, sagte zuvor selbst NSA-Chef Keith Alexander. Unter den Akten war der Beschluss eines Geheimgerichts vom vergangenen April, der vorgibt, nach welchen Regeln Daten gespeichert und Behörden übermittelt wurden. Zeitgleich waren auch Vertreter der NSA und des Justizministeriums im Senat geladen. Viel Aufschluss gaben die Dokumente nicht. Dass der Geheimdienst mithilfe des Telefonriesen Verizon Millionen von Telefondaten gesammelt hat, war bereits bekannt.

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