Ein Wahhabiten-Stützpunkt in Europa
Die Bosniaken, Kroaten und Serben in Bosnien-Herzegowina beginnen sich zu fürchten: Mit Milliardenkapital ausgestattet, kaufen Scheichs der arabischen Halbinsel das halbe Land zusammen und bauen neben Moscheen auch gigantische Siedlungen. Sie bringen auch Zigtausende Wahhabiten ins Land. Dieser puristisch-traditionalistischen Richtung des sunnitischen Islam können aber die moderaten Muslime Bosniens überhaupt nichts abgewinnen.
Araber-Flüge
Vor allem in der vergangenen Sommersaison prägten dunkel gekleidete Araber mit ihren vollverschleierten Ehefrauen das Bild des Kurortes Ilidža mit seinen Bädern und Kurhotels am Rande von Sarajevo. Auf immer mehr Geschäften und Lokalen prangen arabische Aufschriften – für die meist als Touristen kommenden Saudis, Kataris und Kuwaitis. Dienstag und Donnerstag sind die Araber-Flugtage. Viele kommen aber, um zu bleiben. Von ihnen beauftragte Immobilien-Jäger putzen die Türklinken bei den Einheimischen. Wem die Wiese hinter dem Haus gehöre? Ob man sie kaufen könne?
Sie dürfen ohne Visum einreisen. Land kaufen dürfen aber nur registrierte Firmen. Kein Problem: Alleine aus Kuwait stammen 232 neu angemeldete Firmen. Eine davon ist ein kuwaitischer Investor, der am Berg Igman um zwei Milliarden Euro einen futuristischen Stadtteil für 40.000 Einwohner unter dem Namen "Nova Ilidža" hochziehen lassen will. Im Angebot: luxuriöse Wohnungen, Einkaufszentren, Hotels, Parks, Promenaden und vieles mehr. Der kuwaitische Botschafter hat sich bereits seine Privatresidenz in Ilidža einrichten lassen.
Im etwa 30 Kilometer entfernten Trnovo, unmittelbar an der Grenze zur Republika Srpska, wollen Investoren aus den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Ansammlung von kleinen bosnischen Bergdörfern kaufen, um dort ein Resort für ebenfalls 40.000 Menschen zu errichten. 2,2 Milliarden Euro sind veranschlagt, 10.000 Einheimische sollen dort einen Job finden. 150 Serben müssen dafür mit Zwangsenteignungen rechnen.
Dass das keine Fantasien und Luftblasen sind, beweist das "Centar Sarajevo". Mit 49.000 Quadratmetern und 80 Geschäften ist es das größte Einkaufszentrum der Stadt. Es wurde von der Saudi-Investorengruppe Al-Shiddi gebaut. Chef-Investor Ismail Ahmed kam nur zur Eröffnungsfeier kurz in die Stadt. Der Monolith mit den arabischen Schriftzeichen vor dem Komplex wird als wahhabitische Machtdemonstration gewertet.
Damit ist der Appetit von al-Shiddi noch lange nicht gestillt. 180.000 Quadratmeter in bester Lage erstanden Araber auf den Berghängen von Sarajevo. Poljine Hills heißt das Projekt in Anlehnung an Beverly Hills, das 214 Luxusvillen in elitärer Lage umfassen soll. Das erste Musterhaus ist fertig. Vor Kurzem reisten Botschafter, Minister und Investoren aus Saudi-Arabien zur Feier nach Sarajevo an.
Nur zwei Kilometer von Sarajevo befindet sich der Ort Hadžići. Vor dem Krieg lebten viele Serben dort. Jetzt wollen Kuwaitis ein Touristendorf daraus machen.
Kaufwut
Die Kaufwut der arabischen Milliardäre geht aber weit über Sarajevo hinaus. Die Firma Ardh Al-Jazeera aus Kuwait baut in den Ortschaften Sokolovic Kolonija und Dobrosevici insgesamt 50 Luxus-Villen. Auch in Lužani, Lokve, Crepljani und Osenik sind arabische Ferienanlagen im Entstehen.
Die Menschen in Bosnien-Herzegowina betrachten die arabische Investitionswelle mit gemischten Gefühlen. Einerseits ist es gut, wenn Geld ins Land kommt. Denn aus der EU investiert kaum jemand in dem Staat, der 20 Jahre nach seiner Gründung noch immer nicht funktioniert. Doch die Motive der Araber sind völlig unklar.
Für Verunsicherung sorgt vor allem die Einseitigkeit der Interessen. Die Investoren engagieren sich nicht in der bosnischen Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie. Auch an der Automobilbranche und dem Energiesektor sind sie überhaupt nicht interessiert. Ihr Hauptaugenmerk liegt angeblich nur auf dem Tourismus. Außerdem bauen sie Moscheen und Schulen quasi am Fließband.
Die Bosnier stehen der Investitions- und Einwanderungswelle ratlos gegenüber. Nicht vergessen sind jene wahhabitischen und El-Kaida-nahen Saudis, die während des Krieges von 1992 bis 1995 Waffen lieferten. Deren Missionierungseifer wurde bald als Bedrohung empfunden. Es war sehr schwer, sie wieder loszuwerden. Das Land ist nun voll mit Gerüchten. Wollen sich die Araber einen Stützpunkt in Europa für die Zeit nach dem Öl sichern? Wollen sie einen Stützpunkt für die "Missionierung" Europas einrichten? Oder wollen sie wirklich nur hier Urlaub machen?
Während des Bosnien-Krieges von 1992 bis 1995 gelang es fundamentalistischen Arabern mit Waffenlieferungen erstmals einen Fuß nach Bosnien zu setzen. Ihr Stützpunkt dabei war Wien.
Dem Ex-Kulturattache des Sudan, El Fathi al Hasanein, wurden umgerechnet 1,2 Milliarden Schilling (87,2 Mio. Euro) aus Saudi-Arabien über die Nationalbank nach Wien transferiert. Der betrieb eine Hilfsorganisation namens "Third World Relief Agency" (TWRA), von der es auch Querverbindungen zu Osama bin Laden und dessen El Kaida gab.
Mit dabei in der Wiener Niederlassung war Hasan Cengic, islamistischer Vertrauter des Bosniaken-Führers und späteren Präsidenten Alija Izetbegovic. Ihm werden auch beste Kontakte in den Iran nachgesagt, woher schließlich die Waffenlieferungen kommen sollten.
Die Transport-Organisation lag beim Österreicher Dieter Hofmann. Der wurde vom Abwehramt als "Nachrichtenschwindler" mit Kontakten zum KGB eingestuft. Er organisierte die Flugzeuge für die Waffen über Sudans Hauptstadt Khartum nach Marburg und von dort die Hubschrauber für den Weitertransport nach Visoko bei Sarajevo.
Die Herrschaften konnten in Wien ungestört werken. In Bosnien glaubt man heute noch Hofmanns Erzählungen, wonach er "Sonderbeauftragter" des damaligen österreichischen Außenministers Alois Mock gewesen sei. Die französische Tageszeitung Le Figaro bezeichnete Hofmann als einen der "mächtigsten und rätselhaftesten Dealer der Austrian Connection". Die Affäre löste eine Regierungskrise in Slowenien aus und bescherte Hofmann einen längeren Haftaufenthalt in Ungarn.
Gerichtliche Erhebungen gegen Hofmann in Wien wurden eingestellt. Er entschwand mit unbekanntem Ziel. El Fathi al Hasanein wurde aus Österreich ausgewiesen. Der damalige Stapo-Chef Oswald Kessler: "Wir können nicht zulassen, dass diese Fundamentalisten eine Operationszentrale mitten in Wien einrichten."
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