Warum dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Bosnien der Kollaps droht

Ein Mann mit Mütze schaut in ein Zelt, wo ein Interview für BHRT gefilmt wird.
Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk BHRT geht das Geld aus. Die Mitarbeiter warnen: Ohne Unterstützung des Ministerrates droht dem Sender Funkstille.

Die Situation für Medien in Bosnien-Herzegowina ist keine schöne – das spiegelt sich derzeit besonders bei der nationalen Rundfunkanstalt für Bosnien und Herzegowina (BHRT) mit Sitz in Sarajevo wider. Wegen der hohen Schulden verfügt BHRT über keine finanziellen Mittel, um den Mitarbeitern, denen seit Jahren keine Sozialbeiträge eingezahlt wurden, regelmäßig das Gehalt auszuzahlen. Die bosnischen Journalisten arbeiten mit veraltetem Equipment – alles andere als optimale Umstände, um die Bevölkerung mit Nachrichten zu versorgen und demokratische Strukturen im Land zu sichern. 

Das weiß auch Merima Kurtović-Pašalić, die 1995 als freie Mitarbeiterin bei BHRT begann und nun als Vorsitzende der Unabhängigen Gewerkschaft der Beschäftigten des Bosnisch-Herzegowinischen Rundfunks fungiert.

Arbeiten für 500 Euro Mindestlohn

"Rund 60 Prozent unserer Mitarbeiter arbeiten für den Mindestlohn von 500 Euro. Vor dessen Anhebung am 1. Jänner 2025 in der Föderation Bosnien und Herzegowina erhielten sie lediglich 300 Euro", sagt Kurtović-Pašalić gegenüber dem KURIER. Insgesamt zählt der Sender 780 Angestellte, von denen 400 Mitglieder der Unabhängigen Gewerkschaft sind. "Aber wir bemühen uns, unparteiisch, objektiv, professionell und im Dienste der Bürger zu sein", erklärt Kurtović-Pašalić. Auf Dauer könne man aber so nicht die Bevölkerung mit Nachrichten versorgen, qualitatives Fernsehprogramm bieten und demokratische Strukturen im Land sichern, sagt sie.

Die aktuelle Situation sei schwierig und ungewiss, der Stress wirke sich auf die Psyche vieler Mitarbeiter aus, dennoch würden sie nach wie vor ihrer Profession nachgehen – primär aus Pflichtgefühl. 

Nun scheint es aber, als ob diese gewisse Aufopferung der Angestellten nicht mehr ausreicht – dem Sender droht nämlich der Kollaps. Ursachen gibt es viele – unter anderem das verzwickte Rundfunksystem, dass offensichtlich nicht funktioniert. Die landesweite Sendeanstalt BHRT produziert ein Fernseh- und ein Radioprogramm. Daneben gibt es noch zwei Sendeanstalten, eine für jeden der beiden Landesteile, die nach dem Krieg 1995 entstanden sind: die Föderation (Federalna Televizija), hauptsächlich von Bosniaken und Kroaten bewohnt, und die Republika Srpska (RTRS) für die bosnischen Serben. Es ist gesetzlich geregelt, dass beide regionalen Sendeanstalten 50 Prozent der eingehobenen Rundfunkgebühren, aber auch einen Teil der Werbeeinnahmen an BHRT weiterleiten müssen. Doch dies wurde über Jahre hinweg verabsäumt.

Sender BHRT ächzt unter Schuldenberg

Laut Belmin Karamehmedović, Generaldirektor des BHRT, soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk RTRS seit 2018 gegen das Gesetz verstoßen haben und dem Dachsender die Rundfunkgebühren nicht überwiesen haben. Aktuell sollen sich die Schulden des RTRS gegenüber BHRT auf insgesamt 51 Millionen Euro belaufen. Geld, dass der nationale Rundfunk dringend zum Überleben bräuchte. Der Rundfunkanbieter BHRT hat beim Verfassungsgericht Bosnien und Herzegowina eine Beschwerde eingereicht und Recht bekommen. Doch die Auszahlung der Gelder fand noch nicht statt. "Unsere bloße Existenz ist gefährdet. Uns fehlen sogar die Mittel, um den verbrauchten Strom zu bezahlen", schildert Karamehmedović gegenüber der Deutschen Welle.

Der Sender braucht das Geld auch, um seine Schulden gegenüber der Europäischen Rundfunkunion (EBU), der Steuerverwaltung der Föderation und der Verwaltung für indirekte Besteuerung zu begleichen. Konkret schuldet BHRT der EBU rund zehn Millionen Euro, weshalb Bosnien und Herzegowina seit 2016 von täglichen Nachrichtendiensten und der Teilnahme am Eurovision Song Contest suspendiert ist. Eine der 14 zentralen Vorgaben für den EU-Beitritt des Balkanstaates ist zudem, die Rahmenbedingungen im Rundfunkwesen so zu gestalten, dass sie den EU-Standards für einen freien, unabhängigen und pluralistischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk entsprechen. 

Doch dieser Voraussetzung scheinen die bosnisch-herzegowinischen Politiker nur wenig Aufmerksamkeit zu schenken. "Seit 20 Jahren schwören die Politiker auf den europäischen Weg, doch außer deklarativen Bekenntnissen und leeren Worten gibt es keine konkreten Lösungen", so Merima Kurtović-Pašalić. 

Die politische Oligarchie 

Am 27. November fand in Sarajevo vor dem Gebäude der Parlamentarischen Versammlung von Bosnien-Herzegowina eine Protestaktion statt. Die mehr als 700 Mitarbeiter des Senders forderten vom Staat eine Lösung für das Finanzierungsproblem. Unterstützung erhielten sie sowohl von Bürgern als auch von verschiedenen Gewerkschaften. "Die politische Oligarchie in Bosnien und Herzegowina ignoriert seit Jahren alles, was mit dem Öffentlichen Rundfunk geschieht", kritisiert Kurtović-Pašalić. An der mangelnden Unterstützung durch jene, die für die Lage des öffentlichen Rundfunks Verantwortung tragen würden, habe sich seit der Demonstration vergangene Woche nichts geändert. Allen voran betreffe dies den Ministerrat, mit den Ministern sowie die Abgeordneten beider Kammern der Parlamentarischen Versammlung – jene Institutionen also, die den staatlichen Rundfunk einst gegründet haben. 

Damit BHRT aus der Krise herauskommt, gebe es laut Kurtović-Pašalić kurzfristige und langfristige Lösungsansätze. "Entscheidend ist, dass das Gesetz über das öffentliche Radio- und Fernsehsystem eingehalten wird und die gesetzlich vorgeschriebene Gebühr – wie in allen europäischen Ländern – korrekt und gerecht verteilt wird", sagt Kurtović-Pašalić. Außerdem appelliert sie an den Hohen Repräsentanten Christian Schmidt, sich einzuschalten, um eine Schließung des Öffentlichen Rundfunks zu verhindern. 

Warum sie dem Sender trotz der prekären Lage die Treue hält? "Aus Patriotismus bin ich hiergeblieben, in der Hoffnung, dass sich die Situation bessert. Doch die ständige Ungewissheit und die politische Spannung erschöpfen mich – als wären wir gestern aus dem Krieg gekommen, nicht vor 30 Jahren." Für ihre drei Kinder will die Journalistin eine bessere Zukunft: Zwei von ihnen studieren Physik und Chemie an der Johannes-Kepler-Universität in Linz. "Das Nachkriegsleben hier ist für mich schlimmer als der Krieg selbst", fügt Kurtović-Pašalić hinzu.

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