Das Phänomen ist überall in der westlichen Welt bekannt: Die sogenannten „Babyboomer“, also die Jahrgänge Mitte 1950er bis Ende 1960er, gehen derzeit in Pension und verschärfen so den bereits bestehenden Arbeitskräftemangel. Kanada versucht nun, in einem Kraftakt dagegenzuhalten: Zwischen 2023 und 2025 sollen insgesamt 1,5 Millionen Menschen ins Land geholt werden.
Damit wird das nordamerikanische Land seinem Status als Einwanderungsland einmal mehr gerecht. Bereits jetzt ist fast jede vierte Person zugewandert – das ist der höchste Wert unter den G 7-Ländern, also den größten Industrienationen, zu denen natürlich auch die gerne als melting pot (Schmelztiegel) bezeichneten USA gehören. Dort etwa liegt dieser Wert bei „nur“ 14 Prozent. Das heißt: Im Land der „unbegrenzten Möglichkeiten“ ist aktuell jeder Siebenten andernorts geboren.
In Kanada sind Einwanderer bereits jetzt für die gesamten Zuwachszahlen auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich, mit Beginn der nächsten Dekade auch für die steigende Bevölkerungszahl. Diese soll laut Prognosen bis 2050 von derzeit rund 38 Millionen auf knapp 46 Millionen klettern. Ein Plus von mehr als 20 Prozent. Zum Vergleich: Österreich soll im selben Zeitraum von rund neun Million auf zehn Millionen Einwohner wachsen (ein Plus von gut zehn Prozent).
Bereits in der Vergangenheit hat Kanada erfolgreich auf Einwanderung gesetzt. Dabei aber vor allem jene Menschen ins Land geholt, die die Mangelsparten abdecken konnten. Dennoch sind derzeit eine Million Jobs ausgeschrieben, für die sich niemand findet.
Dementsprechend liegt auch bei der jüngsten Immigrationsoffensive der Fokus auf wirtschaftlicher Zuwanderung: Von den insgesamt 1,5 Millionen „neuen Landsleuten“ entfällt weit mehr als die Hälfte auf Arbeitskräfte (850.000), 400.000 Männer, Frauen und Kinder firmieren unter dem Titel „Familienzusammenführung“. Doch auch der humanitäre Aspekt findet sich in dem Regierungsplan. Bis 2025 soll rund eine Viertelmillion Flüchtlinge aufgenommen werden.
Angst vor Sprachverlust
Doch selbst in Kanada geht das manchen zu weit. So sorgt sich etwa der Premier der Provinz Quebec, Francois Legault, dass durch den Zuzug die französische Sprache in seiner Region mehr und mehr unter die Räder kommen könnte. Und in einer Umfrage unter 1.537 Kanadiern äußerte eine Dreiviertel-Mehrheit die Befürchtung, dass die Immigrationsoffensive negative Auswirkungen auf die ohnehin schon sehr hohen Häuser- und Mietpreise haben werde. Rund die Hälfte bezeichnete die Zahl der Zuwanderer als zu hoch, jeder Dritte hielt sie dagegen für richtig.
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