Bombardieren die Türkei und Syrien das Erdbebengebiet?

Bombardieren die Türkei und Syrien das Erdbebengebiet?
Beide Länder sollen betroffene Städte bombardieren, Experte ist aber skeptisch.

Bei all den verheerenden Bildern, Berichten über Rettungen und Tragödien ist klar: Auch nachdem das schwere Erdbeben mit mehr als 20.000 Opfern aus dem Blickfeld der Weltöffentlichkeit verschwunden sein wird, wird der syrische Bürgerkrieg weitertoben. Manchen Berichten zufolge hat er trotz der Katastrophe erst gar keine Pause gemacht.

Schwierige Quellenlage

So werden von unterschiedlichen Seiten Meldungen laut, dass sowohl das syrische als auch das türkische Militär ihre Bombardements fortsetzen sollen: Laut dem Onlineportal Middle East Eye soll die syrische Artillerie kurz nach dem Erdbeben die von der Türkei unterstützten Kräften gehaltene Stadt Marea, einige Kilometer nördlich von Aleppo, bombardiert haben. Das in Großbritannien ansässige Portal beruft sich auf Augenzeugenberichte. In anderen Meldungen wird erklärt, die türkische Artillerie habe die von Kurden gehaltene Stadt Tall Rifaat, keine zehn Kilometer westlich von Marea, in der Nacht von Montag auf Dienstag angegriffen.

Eine Möglichkeit, die Berichte unabhängig zu überprüfen, gibt es aber nicht. Fakt ist: Vor dem Erdbeben gab es regelmäßig türkische Artillerieangriffe auf Tall Rifaat, türkische Quellen dementieren die Anschuldigungen. Marcus Bachmann von der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ sagte hierzu im Ö1-Morgenjournal: „Wir sind nicht unmittelbar in dem Gebiet tätig, das betroffen sein soll. Menschen, die aus diesen Gebieten in unsere Krankenhäuser kommen, berichten allerdings übereinstimmend darüber.“

Der renommierte Sicherheitsexperte Walter Feichtinger vom Center für Strategische Analysen (CSA) warnt im KURIER-Gespräch aber zur Vorsicht bei Meldungen über die Bombardements. „Vor allem in dieser unübersichtlichen Lage sind solcherlei Meldungen mit äußerster Vorsicht zu sehen“, sagt er.

Verworrene Situation

Für die Versorgung der vom Erdbeben betroffen Gebiete in Syrien und die Verifizierung der Berichte ist die politische Lage ein massives Hindernis. Das Gebiet um die Stadt Idlib kontrolliert der ehemalige Al Qaida-Ableger „Hayat Tahrir al Sham“ – also islamistische Extremisten. Nördlich davon haben von der Türkei geförderte Rebellengruppierungen das Sagen, dazwischen „eingeklemmt“ liegt das Gebiet um Tall Rifaat, von den kurdischen „Syrisch Demokratischen Kräften“ dominiert.

Diese kooperieren seit Beginn der türkischen Invasionen in Nordsyrien immer enger mit der Regierung in Damaskus, um einen weiteren Vormarsch türkischer Kräfte zu erschweren. Gleichzeitig sind die USA ihr wichtigster Partner. Den Luftraum an der türkisch-syrischen Grenze kontrolliert allerdings Russland, der wichtigste Verbündete Bashar al-Assad.

Die EU will Anfang März eine Geberkonferenz für Syrien und die Türkei abhalten. In einem Schreiben an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sicherten die EU-Staats- und Regierungschefs Ankara am Donnerstag zu, ihre Unterstützung weiter zu verstärken. Erdoğan, der sich mit Vorwürfen der Opposition konfrontiert sieht, zu lange bei der Hilfe vor Ort gezögert zu haben, wollte sich Donnerstag vom Parlament den ausgerufenen Ausnahmezustand bestätigen lassen. Damit könnte er unter anderem Ausgangssperren verhängen.

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