Bundesheer im Erdbeben-Einsatz: „Hören erst auf, wenn alle geborgen sind“

„Ich habe vom ersten Tag an eine Planierraupe gefordert, um meinen Bruder zu retten“, ruft eine weinende Frau in die Kamera. Hinter ihr türmen sich die Trümmer ihres Hauses auf, einem Autowrack. „Niemand hat auf mich gehört. Jetzt ist er verblutet“, schreit sie. Die 400.000-Einwohner-Stadt Antakya im Süden der Türkei wurde vom verheerenden Erdbeben – mindestens 11.000 Menschen kamen ums Leben – besonders hart getroffen.
Allein in der Türkei wurden bis Mittwoch 8.574 Tote gezählt. Mehr als 49.000 Menschen seien verletzt, 6.000 Gebäude zerstört, heißt es von den türkischen Behörden. Auf einem Video in sozialen Medien ist ein Vorort der Stadt zu sehen: Bis zum grauen Horizont nur zerstörte Häuser, dann und wann ein neueres Gebäude, dessen Fassade die Katastrophe überstanden hat.
Fehlende Ausrüstung
Auch im Inneren der Stadt wird das Ausmaß des Schadens erst allmählich spürbar: „Gestern haben wir zwei Kinder retten können. Doch es sind sicher noch zehn Personen allein in diesem Gebäude“, sagt ein Anrainer dem Sender Euronews, blickt besorgt auf den Trümmerhaufen. Ein Rettungstrupp sei zwar eingetroffen, doch die meisten hätten keine Ausrüstung.
Zerstörtes Krankenhaus
Nicht weit von dort sind 85 Soldaten der Katastrophenhilfseinheit „Austrian Forces Disaster Relief Unit“ (AFDRU) im Einsatz, suchen nach Verschütteten in einem eingestürzten Krankenhaus: „Wir haben bereits Lebenszeichen geortet, bald werden wir damit beginnen, die Trümmer zu zerschneiden und die Verschütteten zu bergen“, sagt der AFDRU-Kommandant, Major Bernhard Lindenberg, zum KURIER.
Wenige Stunden später vermeldet die Einheit, einen Verschütteten lebend geborgen zu haben - einen Mann, dem später ein Arm amputiert werden musste. „Die Lage ist schlimmer als erwartet. Es gibt nur mehr wenige Gebäude, die nicht zerstört sind. Die Leute schlafen in ihren Autos unter Zeltplanen“, setzt er nach.
Die gesamte Nacht habe ein Erkundungsteam den Einsatz vorbereitet, jetzt arbeiten zwei Teams daran, Menschenleben zu retten, ein drittes steht als Reserve bereit.
Ein Team umfasst 16 Personen, die sich aus Spezialisten des Rette- und Bergeteams, zwei Rettungshunden sowie je einem Notarzt und Notfallsanitäter zusammensetzen. „Wir sind rund um die Uhr im Einsatz – jedes Team etwa zwölf Stunden am Stück, ehe es von der nächsten Gruppe abgelöst wird“, sagt Lindenberg.
Niedrige Temperaturen
Die Zeit drängt – Freitagfrüh laufen die 100 Stunden aus, die nach Lehrbuch das wichtigste Zeitfenster sind, um Überlebende bergen zu können. Erschwerend kommen die Temperaturen hinzu. Lindenberg: „In der Nacht hat es hier bis zu minus zehn Grad, untertags fünf bis zehn – und die Temperaturen dürften noch weiter sinken.“
Doch auch nach den verstrichenen hundert Stunden wird die Einheit bleiben: „Wir hören erst zu suchen auf, wenn wir alle Leute aus den Trümmern herausgeholt haben“, sagt Lindenberg, der sich um seine 81 Männer und vier Frauen keine Sorgen macht: „Natürlich ist so ein Einsatz psychisch und physisch sehr fordernd, aber alle sind top ausgebildet.“
Zusätzlich ist ein Psychologe vor Ort, der sich um die Soldaten kümmern wird.
Indes konnten italienische Rettungskräfte einen Buben aus einem eingestürzten Haus in Antakya retten, zuvor wurde ein Student mitsamt seiner Katze lebendig geborgen. Noch sind weitere solcher Wunder möglich.
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