Betrugsverdacht in deutschen Teststationen

Betrugsverdacht in deutschen Teststationen
Stichproben haben gezeigt, dass in Teststationen mehr Tests verrechnet, als tatsächlich durchgeführt wurden.

Im Netz von privaten Corona-Teststellen in Deutschland scheint es schwarze Schafe zu geben. Ein möglicher Abrechnungsbetrug bei Bürgertests zieht immer weitere Kreise, die Justiz ermittelt. 

Bekannt wurden Verdachtsfälle in Nordrhein-Westfalen und Bayern. Stichproben hätten etwa an einer Teststelle in Köln ergeben, dass statt 70 wirklich genommener Proben fast 1.000 abgerechnet worden seien. Ähnliches hätten Stichproben unter anderem in Essen und in Münster zutage gefördert.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigte am Wochenende "stichprobenartig mehr Kontrollen" an. "Egal ob bei Masken oder beim Testen - jeder, der die Pandemie nutzt, um sich kriminell zu bereichern, sollte sich schämen", schrieb der Minister im Kurznachrichtendienst Twitter. Die SPD attackierte Spahn, die Grünen verlangten die Nachbesserung der Testverordnung, die FDP sogar einen Sonderermittler.

Die deutsche Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin": "Da, wo Betrug stattfindet, muss jeder wissen, das kann ganz hart geahndet werden." Es müssten Kontrollen stattfinden.

In den vergangenen Monaten sind Testzentren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Getestet wird unbürokratisch. Seit Anfang März sieht die Corona-Testverordnung der Bundesregierung solche Bürgertests vor. Der Bund übernimmt die Kosten für mindestens einen Schnelltest pro Bürger und Woche. Die Teststellen erhalten 18 Euro pro Test.

Zentraler Streitpunkt ist die Frage, wer die Zahl der ausgeführten Tests kontrolliert. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, sprach von einem typischen Schwarze-Peter-Spiel: "Der Bund schiebt die Verantwortung auf die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Länder, und die schieben sie zurück an den Bund", sagte er der "Rheinischen Post" (Montag).

Wer muss für Kontrolle sorgen?

"Der Bund ist als Auftraggeber gefordert, bei den kostenlosen Bürgertests für eine angemessene Kontrolle zu sorgen", meinte Landsberg. "Die Gesundheitsämter der Kommunen können das nicht auch noch tun, die sind schon völlig überlastet."

Dagegen sieht die Kassenärztlichen Bundesvereinigung die Gesundheitsämter bei den Kontrollen in der Pflicht. "Die fachliche Kontrolle, wer solche Bürgertests durchführen kann und ob diese Tests auch korrekt durchgeführt werden, obliegt den Gesundheitsämtern", sagte Vorstandschef Anreas Gassen der Rheinischen Post. Die Kassenärztlichen Vereinigungen nähmen gemäß der Verordnung des Bundes die monatlichen Meldungen der entstandenen Kosten der registrierten Testanbieter entgegen. "Überprüfen können sie ausschließlich formale Aspekte. Mehr ist nicht möglich, da die übermittelten Angaben der Anbieter keinen Bezug zu getesteten Personen aus Datenschutz-Gründen aufweisen dürfen", erklärte Gassen.

Eine mangelnde Kontrolle könnte ein Einfallstor für Abrechnungsbetrug bieten, wie Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) ergeben hatten. Stichproben hätten etwa an einer Teststelle in Köln ergeben, dass statt 70 wirklich genommener Proben fast 1.000 abgerechnet worden seien. Ähnliches hätten Stichproben unter anderem in Essen und in Münster zutage gefördert. Der Bericht verweist auf mangelnde Kontrollmöglichkeiten seitens der Behörden.

Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität in Bochum nahm Ermittlungen auf wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs bei Corona-Bürgertests, wie ein Sprecher der Behörde am Samstag bestätigte. Ermittelt werde gegen zwei Verantwortliche eines in Bochum ansässigen Unternehmens, das an mehreren Standorten Teststellen betreibe. Anlass der Ermittlungen waren demnach die Recherchen von WDR, NDR und SZ.

Wie die Staatsanwaltschaft bestätigte, wurden im Ruhrgebiet Geschäftsräume und Privatwohnungen durchsucht. Dabei seien auch Unterlagen beschlagnahmt worden. Den Namen des verdächtigen Unternehmens wollte die Behörde nicht nennen.

In Bayern ist dem Gesundheitsministerium "konkret ein Fall bekannt, in dem die Behörden ermitteln", sagte ein Ministeriumssprecher der dpa am Sonntag. Um welche Teststelle es sich handelt, wollte er "wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens und der noch geltenden Unschuldsvermutung" nicht sagen.

Das Kölner Gesundheitsamt befürchtet, dass es sich nur um die Spitze des Eisbergs handelt. Man habe die große Sorge, dass dies nicht der einzige Fall sei, "sondern dass noch weitere Fälle uns in Zukunft beschäftigen werden", sagte Behördenleiter Johannes Nießen in der ARD. Nach Angaben des deutschen Justizministeriums kann gewerbsmäßiger Betrug nach dem Strafgesetzbuch mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.

Falsche Testmeldungen

Laut "Tagesschau" befürchten Gesundheitsämter zudem, dass falsche Testmeldungen die Datenlage über den Pandemieverlauf verfälschen könnten. So seien von drei Test-Standorten, an denen WDR, NDR und SZ recherchiert hätten, innerhalb von einer Woche 25.000 Tests gemeldet worden, darunter aber kein einziger positiver Fall.

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht als das größte Problem bei "kriminell organisierten" Corona-Teststellen die mangelnde Qualität. Vorstand Eugen Brysch sagte der dpa: "Wo solche Strukturen herrschen, ist in der Regel auch die Qualität der Tests schlecht."

Spahn wies darauf hin, dass die allermeisten Anbieter von Teststellen "das mit großen Engagement, sehr professionell und auch sehr ordentlich machen". Die Bürgertests seien sehr pragmatisch in einer Situation möglich gemacht worden, in der ein schneller Aufbau gewollt gewesen sei, sagte der Minister am Samstag in Pretoria während eines Südafrika-Besuchs. Dabei entschieden die Behörden am Ort über Betreiber von Teststellen wie Ärzte, Apotheker, Rotes Kreuz oder auch private Anbieter.

Eine nachträgliche Kontrolle sei bereits vorgesehen, betonte Spahn. Anbieter müssten damit rechnen, dass Unterlagen bis Ende 2024 überprüft werden können. Ohnehin geplant gewesen sei, die Vergütung angesichts des größeren Angebots auf dem Markt demnächst zu senken.

Die SPD sieht Spahn in der Verantwortung. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, sagte der dpa: "Nach den Masken jetzt die Schnelltests. Das Managementversagen im Gesundheitsministerium hat inakzeptable Ausmaße angenommen." Spahn habe Warnungen und Hinweise von Abgeordneten der Koalitionsfraktionen für die Testbedingungen ignoriert. "Er trägt die Verantwortung für den verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler und muss die Selbstbedienung unverzüglich beenden."

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink, sagte dem "Handelsblatt", Spahn müsse "unverzüglich die Testverordnung nachbessern und die Lücken schließen". FDP-Fraktionsvize Michael Theurer, forderte die Einsetzung eines Sonderermittlers, um den mutmaßlichen Abrechnungsbetrug aufzuklären.

Die baden-württembergische Landesregierung verlangte verlässliche Angaben des Bundes. Der mutmaßliche Abrechnungsbetrug werde bei einer Gesundheitsministerkonferenz am Montag zur Sprache gebracht, kündigte der Amtschef des Landesgesundheitsministeriums, Uwe Lahl, in der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Montag) an. Gesundheitsminister Spahn müsse einschätzen, wie groß das Problem tatsächlich sei. "Wir brauchen vom Bund jetzt Fakten, um zu entscheiden, wie wir weiter vorgehen."

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