Besatzungsdenkmal empört Ungarns Juden

Proteste gegen den Baubeginn für das umstrittene Besatzungsdenkmal im Zentrum Budapests
Sofort nach Orbans Wahlsieg wurde in Budapest mit dem Bau eines Nazi-Besatzungs-Denkmals begonnen.

Auf Budapests zentralem Freiheitsplatz harren seit zwei Tagen Demonstranten aus. Die Protestierenden wollen nicht mehr weichen, kündigten sie an. Bauzäune wurden niedergerissen, das Areal soll friedlich besetzt bleiben, um so den Bau des heftig umstrittenen Mahnmals zur Erinnerung an die deutsche Besatzungszeit zu verhindern.

Im Mai soll das riesige Denkmal fertig sein, wenn es nach den Plänen der national-konservativen FIDESZ-Regierung geht. Seit Bekanntwerden des Projektes hagelt es massive Proteste der jüdischen Gemeinden Ungarns, aber auch Dutzender Historiker. Das geplante Denkmal, so der Vorwurf, relativiere die Mitverantwortung Ungarns für die Verbrechen während der Nazi-Besetzung und vor allem den Holocaust an fast 600.000 ungarischen Juden. Es soll einen deutschen Reichsadler zeigen, der sich auf den Erzengel Gabriel stürzt – der verkörpert Ungarn. Mit dieser Symbolik wolle die Regierung ausdrücken, "dass Ungarn ein komplett unschuldiges Opfer des deutschen nationalsozialistischen Aggressors war", sagte der Historiker Adam Kerpel-Fronius gegenüber dem Pesterlloyd.

Für den Verband jüdischer Gemeinden in Ungarn stellt das geplante Denkmal und die damit verbundene Geschichtsfälschung einen derartigen Affront dar, dass er einen Boykott aller staatlichen Veranstaltungen des Holocaust-Gedenkjahres 2014 ankündigte.

Vernichtungslager

In keinem anderen von den Nazis okkupierten Land waren in so kurzer Zeit so viele Juden in die Vernichtungslager deportiert worden. Nachdem die Wehrmacht am 19. März 1944 in Ungarn einmarschiert war, begannen einen Monat später die Deportationen. In Viehwaggons der Ungarischen Staatsbahnen wurden sie nach Auschwitz und Birkenau verfrachtet. Hineingetrieben wurden sie von der ungarischen Gendarmerie, deren Brutalität manchmal sogar die Deutschen entsetzte. Von Ende April bis Mitte Juni 1944 wurden auf diese Weise mehr als 450.000 Juden aus Ungarn deportiert. Fast alle wurden nach ihrer Ankunft sofort in die Gaskammern geschickt. Insgesamt starben bis Kriegsende fast 600.000 der rund 800.000 ungarischen Juden.

Diese massenhafte Vernichtung jüdischen Lebens wäre nicht möglich gewesen, lautet der Vorwurf Dutzender ungarischer Historiker, wenn nicht ungarische Beamte und Behörden eilfertig mitgeholfen hätten. Wie der Geschichtswissenschaftler Krisztian Ungvary in seinem Buch über den Reichsverweser Miklos Horthy schreibt, hätten an die 200.000 ungarische Juden mehr den Holocaust überleben können, wenn sich Ungarns Behörden formal an die Vorgaben der Nazi-Besatzer gehalten hätten.

Aus Sicht der heutigen ungarischen Regierung aber endete Ungarns Souveränität am 19. März 1944. Der ungarische Staat sei also nur eingeschränkt oder gar nicht für den Holocaust an den ungarischen Juden verantwortlich gewesen.

Die Debatte um das geplante Nazi-Besatzungsdenkmal bezeichnete ein FIDESZ-Sprecher jüngst als "Hysterie". Das Mahnmal sei ausdrücklich "allen Opfern" des Nazi-Terrors in Ungarn gewidmet.

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