Italiens Regierung wankt bedrohlich

Silvio Berlusconi: Wieder der Auslöser einer Regierungskrise.
Premier Letta unterzieht sich einem Vertrauensvotum – der Grund: Silvio Berlusconi.

Enrico Letta ist erst seit fünf Monaten im Amt – und muss jetzt bereits sein erstes Vertrauensvotum als italienischer Premier absolvieren: Sein Bündnispartner Volk der Freiheit (PdL) rund um den rechtskräftig verurteilten Ex-Premier Silvio Berlusconi macht ihm zu schaffen.

Die PdL-Mandatare drohen bekanntlich mit dem Rückzug aus dem Parlament, sollte der verurteilte Konzernchef aus dem Senat ausgeschlossen werden. Deshalb will Letta nun kommende Woche die Vertrauensfrage stellen: Das Votum wird voraussichtlich am Dienstag stattfinden. Dann wird klar werden, ob Letta noch über eine Mehrheit verfügt, um das Land weiterzuregieren.

Keine Entscheidungen mehr

Italiens Regierung wankt bedrohlich
Premierminister Enrico Letta.
Auf einer gespannten Kabinettssitzung am Freitag sagte Letta, die Beilegung der politischen Krise sei prioritär. Das Kabinett hatte unter anderem über Möglichkeiten beraten, eine umstrittene Erhöhung der Mehrwertsteuer von Oktober auf den kommenden Jänner zu verschieben. Doch Letta erklärte anschließend, solange die politische Lage im Parlament nicht geklärt sei, werde vorübergehend jede Regierungsentscheidung, sogar zu Steuern oder Wirtschaftsfragen, gestoppt.

Der 48-jährige Letta zeigt sich kämpferisch. Er werde sich Drohungen seitens seiner Koalitionspartner nicht beugen. Entweder seien die Bedingungen vorhanden, um das Land weiter zu regieren, oder er werde gehen, sagte der Premier.

Sollte es zu einer Regierungskrise mit Rücktritt kommen, könnte Präsident Giorgio Napolitano erneut Letta oder einen anderen Politiker beauftragen, eine andere Regierungsmehrheit zu suchen. Der Staatschef war bisher dagegen, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben.

Napolitano äußerte angesichts der Lage Zweifel am Verantwortungsbewusstsein der Parteien. In der italienischen Politik sei jeglicher "institutioneller Respekt" verloren gegangen. Angesichts der politischen Turbulenzen in Rom klagte Napolitano, dass ein vorzeitiges Ende der Legislaturperiode ein typisch italienisches Merkmal sei.

Berlusconis unsichere Zukunft

Berlusconis weiteres politisches Leben ist indes noch immer ungewiss: Der Medienzar, der am Sonntag seinen 77. Geburtstag feiert, war am 1. August in letzter Instanz wegen Steuerbetrugs bei seinem Medienkonzern und Korruption zu vier Jahren Haft verurteilt worden, wovon er drei Jahre nicht verbüßen muss. Weitere Verfahren sind anhängig, darunter eines wegen Amtsmissbrauchs und Sex mit einer Minderjährigen.

Der Immunitätsausschuss des Senats muss am kommenden Freitag in zweiter Abstimmung entscheiden, ob Berlusconi trotz seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs seinen Sitz in der zweiten Parlamentskammer behalten kann. In einer ersten Abstimmung hatte der Ausschuss dies mehrheitlich abgelehnt. Die endgültige Entscheidung soll voraussichtlich Mitte Oktober im Senatsplenum erfolgen.

Seiner Partei steht in diesem Fall auch eine Zerreißprobe bevor: Die jüngsten Entwicklungen in Rom haben nach Ansicht von Beobachtern Ratlosigkeit unter den Vertrauensleuten des Milliardärs ausgelöst. Nicht alle teilen das Vorhaben der Parteispitze eines gemeinsamen Rückzugs der PdL-Mandatare aus dem Parlament, sollte der Medienzar aus dem Parlament ausgeschlossen werden. Auch angesichts der Aussicht, der Regierung von Premier Enrico Letta das Vertrauen zu entziehen, spalten sich derzeit noch die Fronten in der Berlusconi-Gruppierung.

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