Belgien beendet die CETA-Zitterpartie

Ministerpräsident Walloniens, Paul Magnette.
Nach langem Gezerre stimmte Walloniens Regionalchef Paul Magnette dem Handelspakt zu.

Mobilisieren können die Belgier, das muss man ihnen lassen: Kaum wurde Donnerstagmittag die innerbelgische Einigung im CETA-Streit verkündet, versammelten sich Hunderte Freihandelsgegner vor der EU-Kommission und dem Ratsgebäude. "Stopp CETA", schrien sie, Kuhglocken übertönten den lauten Verkehr am Rond-point Schuman, Bauern trommelten auf Fässer, Belgiens sozialistische Jugend wetterte gegen die Globalisierung.

Paul Magnette, dem Ministerpräsidenten der wallonischen Provinz und Chef der Parti Socialist, ließen die roten Rebellen kalt. Der 45-jährige Uni-Professor hat mit seinem Widerstand gegen eine allzu frühe Zustimmung zum Handelspakt für sich erreicht, was er wollte: Maximale Bekanntheit und ausreichende Schutzbestimmungen für Bauern. Magnette hat den CETA-Kampf benützt, um sich als politischer Herausforderer des schwachen liberalen belgischen Premiers Charles Michel zu profilieren.

Magnette punktet

Was am Mittwoch in stundenlangen Verhandlungen nicht möglich war, nämlich einen Kompromiss zwischen der Wallonie und der belgischen Zentralregierung zu erzielen, gelang am Donnerstag innerhalb von zwei Stunden.

Tags zuvor wurde nicht nur um Punkt und Beistrich einer Zusatzerklärung gerungen, es dauerte, weil christdemokratische Regionalpolitiker noch mitmischen wollten. Sie bemerkten, dass Magnette mit seiner Hartnäckigkeit ungemein an Wählerzuspruch gewann. Entsprechend selbstbewusst trat er gestern dann auch vor die Presse und sagte nach den Verhandlungen: "Es tut mir leid für die anderen Europäer und unsere kanadischen Partner, dass sie warten mussten." Es sei aber um wichtige Dinge, nicht nur für Wallonien, sondern für ganz Europa gegangen: um faire Marktregeln und den Schutz der Bürger.

Bis in die frühen Morgenstunden wartete der kanadische Premier Justin Trudeau mit seiner Abreise nach Brüssel, wo er am Donnerstag mit den EU-Partnern den Freihandelsvertrag unterschreiben wollte. Er wird noch geduldig warten auf den EU-Kanada-Gipfel, denn zuerst müssen Belgiens Regionalparlamente ihren Segen geben, dann die EU-Länder.

Einen neuen Termin für ein Treffen gibt es noch nicht, die Europäer brauchen Zeit, um sich von der Blamage rund um die CETA-Verhandlungen zu erholen.

Kanada abwartend

Kanada drängt nicht mehr und hat gestern die Zustimmung Belgiens zu CETA vorerst zurückhaltend aufgenommen. "Dies ist eine positive Entwicklung, aber es ist noch Arbeit zu leisten", sagte ein Sprecher der kanadischen Handelsministerin Chrystia Freeland. Bevor der Vertrag unterzeichnet werden könne, seien noch weitere Schritte nötig. "Kanada bleibt bereit, diese wichtige Vereinbarung zu unterschreiben, wenn Europa bereit ist", sagte der Sprecher.

Die CETA-Kritiker in den EU-Staaten begrüßten das Platzen der Vertragsunterzeichnung. In Deutschland kündigte die Fraktionschefin der Linken im Bundestag, Sahra Wagenknecht, lautstark an, ihre Partei werde dafür sorgen, dass das Abkommen spätestens im Bundesrat gestoppt werde.

Jobs für Mittelklasse

Der europäisch-kanadische Freihandelsvertrag ist aber noch nicht unter Dach und Fach, die Kanadier sind vorsichtig und warten lieber ab. Außerdem glauben sie den Europäern nicht mehr so richtig. Es werde auch zu wenig für den Inhalt des Vertrages geworben, heißt es kritisch in der kanadischen Regierung. Für sie ist CETA "eine fortschrittliche Vereinbarung, die neue Arbeitsplätze und Wachstum für die Mittelklasse schaffen wird", betont Handelsministerin Chrystia Freeland so oft sie kann.

Die Botschafter der EU-Staaten haben den belgischen CETA-Kompromiss akzeptiert. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Brüssel am Donnerstag aus EU-Kreisen. Belgien hatte ein Zusatzdokument zu dem europäisch-kanadischen Handelspakt eingereicht, das auch den skeptischen Regionalregierungen des Landes die Zustimmung ermöglichen sollte.

Die 28 Botschafter nahmen das CETA-Abkommen sowie mehrere Zusatzdokumente im Paket an. Die Regierungen der EU-Staaten müssen die Grundsatzentscheidung nun noch im schriftlichen Verfahren bestätigen. Dies soll bis Freitag um Mitternacht geschehen.

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