Baustelle Bundeswehr: Zu wenig Geld, Personal und Material

Baustelle Bundeswehr: Zu wenig Geld, Personal und Material
Der Bundeswehr machen seit Jahren viele Mängel zu schaffen. Nun schauen alle auf die neue Ministerin.

Für die Vereidigung von Annegret Kramp-Karrenbauer musste in Berlin improvisiert werden: Weil der Plenarsaal im Bundestag renoviert wird, baute man ihn im Nebenhaus nach: Regierungsbank und Plenum mit zig Stühlen, wo aus dem Urlaub oder Wahlkreisen zurückbeorderte Abgeordnete saßen. Improvisation passte auch zum gestrigen Termin. Denn das neue Amt der CDU-Chefin sehen in Berlin viele Beobachter als etwas Provisorisches – und letzte Chance sich durch Regierungsarbeit auf dem Weg zur möglichen Kanzlerkandidatur zu profilieren. Einfach wird es nicht.

Das Verteidigungsressort gilt als Großbaustelle, wo seit Jahren viel gewerkt wird, manche Gruben erfolgreich geschlossen wurden, sich aber an andere Stelle wieder etwas aufgetan hat. „Von einer materiellen Vollausstattung ist die Truppe weit entfernt. In allen Bereichen mangelt es an Material“, schrieb der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) in seinem jüngsten Jahresbericht. Das betreffe etwa die Schützenpanzer Puma: Im Februar waren von 244 ausgelieferten Fahrzeugen nur 60 einsatzbereit. Dazu kämen viele Reparaturarbeiten, die sich durch Wartezeit auf Ersatzteile verzögern.

Oder sie sorgen für eine immense Kostensteigerung, wie beim Segelschulschiff Gorch Fock. Dessen Sanierung sollte zehn Millionen Euro kosten, nun dürften es 135 Millionen werden, wovon erst 70 bezahlt wurden. Aufklärungsbedarf gibt es auch bei der „Berater-Affäre“, die einen U-Ausschuss beschäftigt: Aufträge seien mutmaßlich rechtswidrig im großen Stil an externe Berater gegangen, Firmen wurden angeblich bevorzugt, die einen Draht ins Ministerium hätten. Auch hier soll viel Geld verpufft.

Streitbare Vision

Wie die neue Chefin die Herausforderungen bewältigen will, machte sie gestern deutlich: Sie warb für einen regelmäßigen Anstieg des Verteidigungsetats. Bis 2024 will sie ein Budget von 1,5 Prozent des BIP erreichen. Einen Wert, den man der NATO versprochen habe, und der auch dem eigenen Bedarf entspricht, so Kramp-Karrenbauer. Der Regierungsentwurf sieht aber anderes vor: Für 2020 nämlich eine Quote von 1,37 Prozent. Für die Folgejahre würde die Quote bis 2023 wieder auf 1,25 Prozent sinken. Das Parlament wird darüber im Herbst verhandeln, Debatten mit der SPD sind vorprogrammiert.

Neben Geld und Material mangelt es auch an Personal: 20.000 Stellen sind unbesetzt, berichtet Verteidigungsexperte Thomas Hitschler (SPD) dem KURIER. Um Menschen zu rekrutieren, müsse man Anreize schaffen, wie es schon versucht wird: Mit Teilzeitmodellen oder besserer sozialer Absicherung. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht, die die CDU-Chefin vor Monaten ansprach, sei aber nicht machbar: „Es würde das Heer für zehn Jahre lahmlegen, es gibt kaum Einrichtungen für die Musterung. Zudem stellt das Grundgesetz hohe Hürden und sieht eine juristische Neubewertung der Bedrohungslage vor.“

CDU-Sicherheitsexperte Patrick Sensburg sieht hingegen das negative Image als Hindernis: „Die Bundeswehr ist nicht so schlecht aufgestellt, wie sie oft dargestellt wird. Da darf man sich nicht wundern, wenn keiner hingeht.“ Der Reservist ortet aber Bedarf an moderner Ausrüstung, vor allem mit Blick auf die Digitalisierung. Ursula von der Leyen hätte dazu bereits Trendwenden für Personal, Material und das Budget eingeleitet - "diese gilt es umzusetzen".

Atmosphärische Wende

Um eine Wende beim Atmosphärische muss sich ihre Nachfolgerin ebenfalls kümmern: Von der Leyen sorgte für Unmut, weil sie der Bundeswehr nach Enttarnung eines rechtsextremen Soldaten ein „Haltungsproblem“ attestierte. Kramp-Karrenbauer versuchte gestern, eine Brücke zu schlagen: Sie will die Truppen in der Gesellschaft sichtbarer machen, öffentlich Gelöbnisse in den Bundesländern und vor dem Reichstag durchführen oder die Uniformierten frei Bahn fahren lassen. Bei ihrem anschließenden Truppenbesuch in Celle übte sie sich in Vertrauensarbeit. Sie hoffe auf einen "einen ungeschönten und offenen Bericht der Experten" zur Lage der Bundeswehr. Sie wolle wissen, wie Soldaten und Ausbildner ihre Arbeitsbedingungen empfinden.

Was sie den Frauen und Männern selbst deutlicher beweisen wird müssen, warum sie entgegen früherer Aussagen doch nach dem Verteidigungsressort gegriffen hat. Einen Wechsel ins Kabinett lehnte sie stets mit der Begründung ab, sich voll und ganz der Erneuerung ihrer Partei zu widmen - selbst als die Stelle vakant war, meinte sie nur: "Es gibt in der CDU viel zu tun". Nach der Rochade erklärte die Vorsitzende, dass sie mit ihrer Autorität als Parteichefin das Ministerium stärken wolle. Den Verdacht, dass es sich bei ihrem Engagement bloß um ein kurzfristiges handeln könnte, muss sie noch loswerden.

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