Bandengewalt eskaliert: Haitis Regierungschef tritt zurück

Bandengewalt eskaliert: Haitis Regierungschef tritt zurück
Ariel Henry tritt angesichts eskalierender Bandengewalt zurück. Er selbst kehrte nach einer Auslandsreise nie nach Haiti zurück und darf weiterhin in Puerto Rico bleiben.

In Haiti hat wegen überhand nehmender Bandenkriminalität und anarchischer Zustände Premier Ariel Henry seinen Rücktritt angekündigt. "Die Regierung, die ich führe, wird unmittelbar nach der Einsetzung eines Übergangsrates zurücktreten", teilte Henry in einer Video-Ansprache am Montagabend in der benachbarten Karibik-Insel Puerto Rico mit.

"Ich bitte alle Haitianer, Ruhe zu bewahren und alles zu tun, damit Frieden und Stabilität so schnell wie möglich zurückkehren."

Die ohnehin instabile Lage in Haiti hatte sich Anfang des Monats nach gewaltsamen Zusammenstößen und zwei Gefängnisausbrüchen weiter zugespitzt. Der berüchtigte Bandenchef Jimmy "Barbecue" Cherizier kündigte eine Allianz mit anderen kriminellen Gangs an und erklärte, sie würden Henry stürzen. Daraufhin wurde der Notstand ausgerufen.

Präsidentenrat soll eingesetzt werden

Henry soll nun durch einen Präsidentenrat ersetzt werden, dem zwei Beobachter und sieben stimmberechtigte Mitglieder angehören. Das Gremium soll sich unter anderem aus Vertretern der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und religiöser Gruppen zusammensetzen. Der Rat soll einen Übergangsregierungschef ernennen.

Die demokratische Wahl einer neuen Regierung soll vorbereitet werden, sie wird die erste seit 2016 sein. Henry, den viele Haitianer für korrupt halten, hatte die Wahlen wiederholt mit der Begründung verschoben, die Sicherheit müsse erst wiederhergestellt werden.

Die eskalierende Bandengewalt schaffe in Haiti eine "unhaltbare Situation", sagte Blinken. "Wir alle wissen, dass dringendes Handeln sowohl auf politischer Ebene als auch auf der Sicherheitsebene notwendig ist." Der US-Außenminister betonte zugleich: "Nur die Bevölkerung Haitis kann über ihre Zukunft entscheiden - niemand anderes."

Keine Wahlen seit 2016

Die Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im Juli 2021 hatte den ohnehin von Kriminalität, politischer Instabilität und großer Armut geprägten Karibikstaat in eine noch tiefere Krise gestürzt. Gangs kontrollieren inzwischen weite Teile des Landes, die Zahl der Morde hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. In Haiti hat es seit 2016 keine Wahlen mehr gegeben.

In Jamaika trafen sich am Montag Staats- und Regierungschefs der Region, um den Rahmen für einen Übergang zu erörtern. US-Außenminister Antony Blinken sagte, der geplante Präsidentenrat habe die Aufgabe, die Grundversorgung der Haitianer sicherzustellen und die Bedingungen für freie Wahlen zu schaffen. Die USA würden 100 Millionen Dollar für den Einsatz einer Truppe, die die Sicherheit im bitterarmen Haiti wiederherstellen soll, bereitstellen. Zudem seien 33 Millionen Dollar für humanitäre Hilfen vorgesehen. Die Gelder müssten allerdings noch vom US-Kongress bewilligt werden.

Blinken: "Unhaltbare Situation"

Die eskalierende Bandengewalt schaffe in Haiti eine "unhaltbare Situation", sagte Blinken. "Wir alle wissen, dass dringendes Handeln sowohl auf politischer Ebene als auch auf der Sicherheitsebene notwendig ist." Der US-Außenminister betonte zugleich: "Nur die Bevölkerung Haitis kann über ihre Zukunft entscheiden - niemand anderer."

Die USA gehen davon aus, dass haitianische Banden große Waffenarsenale angehäuft haben. Bandenführer Cherizier hat gedroht, Hotelbesitzer zu verfolgen, die Politiker verstecken oder mit Henry zusammenarbeiten. "Wir befinden uns nicht in einer friedlichen Revolution. Wir machen eine blutige Revolution in diesem Land, denn dieses System ist ein Apartheidsystem, ein böses System", sagte Cherizier. 

Mehr als 360.000 Vertriebene

Die UNO schätzt, dass über 362.000 Menschen vertrieben wurden, die Hälfte davon Kinder. Tausende Haitianer wurden getötet. Es gibt zahlreiche Hinweise auf Vergewaltigungen, Folter und Entführungen sowie Lösegeldforderungen.

Auf Videos, die in den sozialen Medien Haitis verbreitet wurden, waren Feiernde auf der Straße zu sehen. Menschen tanzten in einer Partyatmosphäre mit Musik auf den Straßen, Feuerwerkskörper wurden in den Nachthimmel geschossen.

Die Gewalt in Haiti war Ende Februar während einer Auslandsreise Henrys in Kenia eskaliert. Er kehrte seither nicht zurück. Ein US-Regierungsvertreter sagte, Henry habe seinen Rücktritt in einem Telefonat mit US-Außenminister Blinken bestätigt. Henry könne im US-Außengebiet Puerto Rico bleiben, wo er sich derzeit aufhält.

Die Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im Juli 2021 hatte den ohnehin von Kriminalität, politischer Instabilität und großer Armut geprägten Karibik-Staat in eine noch tiefere Krise gestürzt. Gangs kontrollieren inzwischen weite Teile des Landes, die Zahl der Morde hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. In Haiti hat es seit 2016 keine Wahlen mehr gegeben.

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