Ban Ki-moon: „Erwarte engagierte Führungsrolle von Kurz“

Der ehemalige UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon und Altbundespräsident Heinz Fischer. Beide gründeten Anfang 2018 das "Ban Ki-moon Centre for Global Citizens" in Wien. In der Zwischenzeit gibt es Büros auf fast allen Kontinenten.
Ex-UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hofft, dass Österreich an der UNO-Migrationskonferenz in Marokko teilnehmen wird.

Der ehemalige UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hofft, das Bundeskanzler Sebastian Kurz Leadership zeigt und Österreichs Regierung an der UNO-Konferenz im Dezember in Marrakesch teilnimmt. Dort soll der Migrationspakt angenommen werden. Der KURIER traf die beiden Gründer des „Ban Ki-moon Centre for Global Citizens“, Ban Ki-moon und Altbundespräsident Heinz Fischer, zum Gespräch.

KURIER: Migration ist ein zentrales Thema für Österreichs EU-Präsidentschaft. Nachhaltige Lösungen für die Migrationsfrage liegen jedoch noch nicht vor.

Ban Ki-moon: Die UNO hat den Migrationspakt verhandelt, am 10. Dezember wird er in Marokko beschlossen. Ich bedaure die Entscheidung der Regierung sehr, an diesem wichtigen Treffen für Humanität nicht teilzunehmen. Es gibt weltweit 68 Millionen Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten. Natürlich gibt es auch welche, die aus wirtschaftlichen Gründen weggehen. Das schafft bei manchen Unbehagen. Die politischen Führer der Welt sollten sich der Migrationsfrage engagierter zuwenden.

Was erwarten Sie nun von Österreich?

Ban Ki-moon: Ich halte Österreich bisher für ein Modell-Land, das die Prinzipien der UNO-Charta einhält. Wien ist auch ein wichtiger UN-Sitz. Ich hoffe, dass Bundeskanzler Kurz eine engagierte Führungsrolle bezüglich einer Teilnahme bei der Konferenz in Marokko zeigt. Nicht teilzunehmen wiegt schwerer als das Zurückweisen des Paktes. Ich hoffe, dass die Regierung diese Frage sehr ernst nehmen wird.

Der Multilateralismus ist ein System, gemeinsam Probleme zu lösen. Hat Multilateralismus eine Zukunftschance vor dem Hintergrund, dass immer mehr Länder diesem System abschwören, wie etwa US-Präsident Trump?

Heinz Fischer: Multilateralismus bleibt ein unverzichtbares Instrument, Weltpolitik ist sonst nicht möglich. Die UNO und die EU wären ohne Multilateralismus nicht möglich. Moderne Politik bedeutet, Nationalismus unter Kontrolle zu halten. „America First“ zu sagen ist nicht sehr weise. Man kann damit möglicherweise erfolgreich bei Wahlen sein, aber verantwortungsvolle Politik ist es nicht.

Ban Ki-moon:America First“ ist keine Vision. Die internationale Gemeinschaft, Friede, Sicherheit und Wohlstand werden auf Basis des Multilateralismus entwickelt, Multilateralismus symbolisiert das System der UNO. Kein Land kann alleine für sich zurande kommen. Die Staaten hängen voneinander ab. Grenzen haben an Bedeutung verloren. Die Welt hat nach dem Zweiten Weltkrieg gelernt, dass sich bestimmte Entwicklungen nicht wiederholen sollten. „Nie wieder“, das war und ist das Versprechen.

Die UNO ist auch unter Druck?

Ban Ki-moon: Die UNO ist stark, wenn es die Unterstützung der Mitglieder und den politischen Willen gibt. Die UNO kann liefern, was Menschen brauchen. Ich wollte als Generalsekretär die UNO effizienter machen. Das sollten wir fortsetzen. Ich bin sehr besorgt, wenn Multilateralismus immer weniger unterstützt wird.

Heinz Fischer: Die Entscheidungsfindung unter 193 UNO-Mitgliedern ist schwierig, das gilt selbst für die EU mit 28 Mitgliedern. Wenn man das berücksichtigt, muss man sagen, dass die Performance der UNO gut ist. Kritik an der UNO gibt es von Beginn an. Fairerweise muss man sagen, der UNO-Einfluss auf die internationale Politik ist groß. Wenn es die UNO nicht gäbe, man müsste sie erfinden.

Am 18. Dezember tagt eine EU-Afrika-Konferenz in Wien. Was kann die EU tun, um Afrika zu helfen und Migranten-Ankünfte zu reduzieren?

Ban Ki-moon: Die internationale Gemeinschaft hat große Erwartungen an die EU-Afrikapolitik. Die UNO-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung gibt Ziele und Maßnahmen vor. Klimaschutz ist das Schlüsselelement. Wenn das nicht gelingt, sind wir ernsthaft gefährdet in unserem wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt. Der Klimawandel ist die größte Gefahr.

Heinz Fischer: Ein wichtiger Ansatz ist, Konflikte in Afrika friedlich und nicht durch Krieg zu lösen. Der Ausbau der Infrastruktur und eine faire Kooperation mit der EU sind notwendig. Eine Schlüsselrolle kommt auch der Kontrolle der demografischen Entwicklung zu.

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