Politisch wendig: Warum der Milliardär Andrej Babis in Prag vor Comeback steht

The leader of ANO party Andrej Babis attends an interview with Reuters in Prague
Der Unternehmer steuert bei den Parlamentswahlen in Tschechien auf eine Rückkehr an die Macht zu - Warnungen vor ihm verfangen nicht.

Er sei ein „Sicherheitsrisiko“, verbreite „russische Propaganda“ würde mit Viktor Orban mauscheln - und genau die gleiche EU-feindliche Politik anpeilen. Derbe Schelte für einen ehemaligen Finanz- und dann Premierminister. Doch wenn es um Andrej Babis geht, pfeift Jan Lipavsky, immerhin Tschechiens Außenminister auf jegliche Zurückhaltung.

Auf offener Brüsseler Bühne, auch in Interviews mit internationalen Medien, kocht der Liberale Lipavsky den Konflikt mit Babis hoch.

Die Nerven liegen nicht ohne Grund blank: In Tschechien sind Anfang Oktober Parlamentswahlen angesetzt, Babis und seine Partei „Ano“ (Tschechisch für „Ja“) liegt in allen Umfragen klar in Führung, Tendenz steigend. Es sei nicht mehr die Frage, ob Babis gewinne, kommentiert die Tageszeitung Lidove noviny die derzeitige Lage, sondern nur noch, in welcher Höhe.

Gerichtsverfahren laufen

Selbst die weiterhin gegen ihn laufenden Gerichtsverfahren scheinen Babis’ Beliebtheit wenig anhaben zu können. Der Milliardär und Chef eines Firmenimperiums wird seit Jahren von einem Skandal rund um EU-Förderungen für ein Wellness-Hotel verfolgt. Weitere Gerichtsverfahren in der sogenannten „Storchennest-Affäre“ stehen an. Politische Beobachter in Prag schließen nicht aus, dass Babis zwar die Wahl gewinnen, aber dann gar nicht auf dem Sessel des Regierungschefs Platz nehmen könne.

Das ist umso schwerwiegender, da „Ano“ eine One-man-show ist, also eine politische Bühne für Babis. Wer dort Platz nehmen könnte, sollte der Chef verhindert sein oder amtsmüde - Babis ist 71 Jahre alt – will kein Kommentator, oder Politik-Experte vorhersagen.

Das Comeback von Babis sorgt nicht nur in Prag, sondern auch in Brüssel für einige Beunruhigung. Seine „Ano“, die bei den EU-Parlamentswahlen im Vorjahr die Parteien von Tschechiens liberaler Regierungskoalition klar hinter sich ließ, ist dort ein bemerkenswertes Bündnis eingegangen.

Zusammen mit der FPÖ

Gemeinsam mit der FPÖ und der Partei von Ungarns Viktor Orban gründete Babis die Fraktion „Patrioten für Europa“. Er werde sich dafür stark machen, die Nationalstaaten zu stärken und die Brüsseler Zentralregierung in ihre Schranken zu weisen, betonte Babis zum Auftakt der Rechtsfraktion.

Eine Haltung, die bei der Mehrheit seiner Landleute sehr gut ankommt. Die Tschechen sind - noch mehr als die Österreicher - grundsätzlich skeptisch gegenüber der EU. Die Einführung des Euro etwa, die für das wirtschaftlich starke Land kein Problem wäre, wird klar abgelehnt, von Bevölkerung und Politik.

Die Tschechen, über Jahrzehnte unter dem Diktat der Sowjetunion, lehnen Einfluss irgendwelcher weit entfernten Zentralmächte grundsätzlich ab. Dass Babis also nicht nur einer der größten Empfänger von EU-Fördergeldern ist, sondern sich Millionen davon mutmaßlich auch noch widerrechtlich angeeignet hat, kümmert sie kaum, ist quasi ohnehin nicht ihr Geld.

„Sinnlose Kampfjets“

Mit untrüglichem Gespür für die Stimmung seiner Landsleute setzte Babis kürzlich noch eins drauf. Die Milliarden an Rüstungsausgaben und Waffenkäufen für die Ukraine, die die NATO von ihren Mitgliedern, also auch von Tschechien fordere, seien völlig überzogen. US-Kampfjets etwa, die die Regierung in Prag, kaufen wolle, nannte er „sinnlos“. Die Regierung „träume offensichtlich von einem Krieg mit Moskau“.

Die Empörung – etwa vom Außenminister – darüber, verfing nicht. Die Umfragewerte für „Ano“ gingen weiter in die Höhe. Babis werde von den Tschechen nicht als Ideologe gesehen, urteilt der tschechische Politologe Jan Kubacek, sondern als Unternehmer, der Haltungen danach beurteile, ob sie Vorteile brächten, persönlich und politisch.

Babis würde zwar gegen Waffenkäufe wettern, aber nie den „guten Ruf und die praktische Grundhaltung der tschechischen Außen- und Sicherheitspolitik“ aus dem Gleichgewicht bringen.

Was Ideologie betrifft, ist Babis tatsächlich flexibel. Er galt einmal als rechter, dann als linker Populist und seine „Ano“, die jetzt mit der FPÖ im Boot sitzt, war auch schon Teil der Liberalen im EU-Parlament. Er denke, bringt es der Politologe auf den Punkt, „einfach pragmatisch.“

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