EU bereitet Waffenembargo vor

Sebastian Kurz plädiert für ein Verbot der Waffenlieferungen.
Laut Außenminister Kurz soll Umsetzung der Sanktionen "beschleunigt" werden.

Die EU-Außenminister drohen Russland mit einem Waffenembargo. ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz erklärte Dienstagnachmittag in Brüssel, die EU-Kommission werde in den nächsten Tagen konkrete Vorschläge im Bereich von "Militärgütern oder Schlüsseltechnologien" präsentieren.

Der niederländische EU-Botschafter Pieter De Gooijer erklärte vor dem Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments unterdessen, es würde Maßnahmen gegen Moskau geben, falls Russland nicht "sofort und vollumfänglich" mit den Ermittlungen nach dem Absturz des malaysischen Flugzeuges kooperiert und seinen Einfluss auf die Separatisten im Osten der Ukraine ausübt. "Dies ist eine Frage von Tagen".

"Wir haben es ganz eindeutig mit von Russland unterstützten Terroristen zu tun", sagte der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin. "Die Krise ist hier, die Krise ist bei Ihnen", rief er den Abgeordneten zu. "Es geht nicht um die östliche Ukraine, es geht nicht um die gesamte Ukraine. Es geht um Gesamteuropa." Klimkin nimmt am Dienstag am Treffen der östlichen Partnerschaft im Rahmen des EU-Außenministerrats teil.

Kurz erklärte, die Kommission werde entsprechende zielgerichtete Sanktionen in dem Bereich prüfen und in den nächsten Tagen Vorschläge präsentieren. Er selbst hätte am liebsten sofort ein Waffenembargo. Aber es sollte jedenfalls "besser früher als später" kommen, so Kurz. "Nach unseren Vorstellungen wäre es gut, wenn es ab sofort keine Waffenlieferungen nach Russland mehr gäbe. Wir haben den Vorschlag schon im Februar gemacht, das wäre ein sinnvoller Schritt". Allerdings sei seine Initiative insofern aufgegriffen worden, als die EU-Kommission Vorschläge im Bereich von "Militärgütern oder Schlüsseltechnologien" erarbeiten werde.

Zur Frage der Sanktionen - der Umsetzung der vom EU-Gipfel zuletzt beschlossenen Ausweitung von Maßnahmen gegen Russland - sagte Kurz, es seien dabei "zielgerichtete Maßnahmen und nicht ganze Sektoren betroffen. Insofern könnte man darüber streiten, ob das jetzt (die Stufe, Anm.) 2++ oder schon ein Plus mehr dabei ist. Aber wir haben heute nicht über klassische Wirtschaftssanktionen gesprochen, sondern über zielgerichtete Maßnahmen". Wirtschaftssanktionen fielen unter die Zustimmung der Staats- und Regierungschefs.

Dabei verwies Kurz darauf, dass die Umsetzung der Sanktionsbeschlüsse vom EU-Gipfel "beschleunigt" werden soll. In den nächsten Tagen sei daher mit einer "Listung weiterer Namen zu rechnen", erklärte der Außenminister. Dies soll bereits am Donnerstag geschehen.

Angesprochen darauf, ob auch Österreich von Sanktionen gegen Russland betroffen sei, sagte Kurz, "nachdem Österreich starke wirtschaftliche Beziehungen mit Russland hat, sind wir von nahezu allen Sanktionen auch betroffen. Insofern glaube ich nicht, dass man sagen kann, dass wir nicht betroffen wären, wenn es zu weiteren Sanktionen oder wirtschaftlichen Sanktionen kommt. Aber es stimmt selbstverständlich, was Waffenlieferungen betrifft, wären manche Länder stärker betroffen als andere. Wir wären hier eher bei jenen, die weniger betroffen sind".

Frankreich will trotz internationaler Kritik im Oktober das erste Mistral-Kriegsschiff an Russland liefern. Der erste der beiden Hubschrauberträger vom Typ Mistral sei nahezu fertig gebaut und werde wie geplant im Oktober ausgeliefert, sagte Präsident Francois Hollande am Montagabend.

Ob das zweite Schiff nach seiner Fertigstellung ebenfalls übergeben werde, hänge vom Verhalten Russlands in der Ukraine-Krise ab. Der britische Premier David Cameron hatte sich gegen die Lieferung ausgesprochen. In Frankreich stieß die Entscheidung des Präsidenten parteiübergreifend auf Zustimmung.

"Das ist eine falsche, von Heuchlern geführte Debatte" wies der Chef der regierenden Sozialisten, Jean-Christophe Cambadelis, am Dienstag die Forderungen auf einen Verzicht des Geschäfts zurück. Wenn man bedenke, wie viele russische Oligarchen in London Unterschlupf gefunden hätten, "sollte David Cameron zuerst in seinem eigenen Hinterhof kehren." Der frühere Arbeitsminister unter dem konservativen Präsidenten Nicholas Sarkozy, Xavier Bertrand, sagte: "Nur weil die Amerikaner 'spring' rufen, sollten wir nicht springen." Frankreichs Wort und Unterschrift müssten respektiert werden.

Cameron hatte gefordert, kein EU-Land sollte nach dem mutmaßlichen Abschuss des malaysischen Verkehrsflugzeugs über der Ostukraine mehr Rüstungsgüter an Russland verkaufen. Ausdrücklich kritisierte er das französische Vorhaben.

Auch Österreich und Schweden machen sich für ein EU-Waffenembargo gegen Russland stark. Mittlerweile seien viele in der EU für einen solchen Schritt, sagte der österreichische Außenminister Sebastian Kurz bei Beratungen in Brüssel.

US-Präsident Barack Obama hatte im Juni angesichts des russischen Verhaltens in der Ukraine-Krise ebenfalls Bedenken gegen das Geschäft angemeldet. Russland wird vorgeworfen, nicht mäßigend auf die Separatisten im Osten der Ukraine einzuwirken.

Russland hat schon gezahlt

Ein Stopp des Projekts im Wert von 1,2 Milliarden Euro würde französischen Diplomaten zufolge dem Land mehr schaden als Russland. Würden die Schiffe nicht geliefert, drohten Frankreich finanzielle Strafen.

Mit dem Kauf erhält Russland Zugang zu militärischer Spitzentechnologie. Das Geschäft war 2011 vereinbart worden. Es sieht die Lieferung von zwei Hubschrauberträgern und die Option auf zwei weitere vor. Ende Juni trafen rund 400 russische Marinesoldaten in Frankreich ein, um auf dem ersten Schiff ausgebildet zu werden. Untergebracht sind sie auf einem im Hafen von Saint Nazaire vor Anker liegenden russischen Schiff. Der russische Präsident Wladimir Putin forderte Anfang Juni, Frankreich müsse den Vertrag erfüllen. Dann seien auch weitere Aufträge denkbar. Andernfalls wolle sein Land das Geld zurück.

Die EU will die Gangart gegenüber Russland in der Ukraine-Krise verschärfen, erstmals können auch Firmen mit Sanktionen bestraft werden. Ein entsprechender Grundsatzbeschluss des EU-Gipfels vom 16. Juli dient den Außenministern als Rahmen für konkretere Entscheidungen. Allerdings handelt es sich noch nicht um die sogenannte Stufe 3 - Wirtschaftssanktionen.

In EU-Kreisen in Brüssel wird von einer Ausweitung der Stufe 2 gesprochen. Die EU hat bisher gegen 72 Russen und prorussische Ukrainer Einreiseverbote und Kontensperrungen verhängt. Nunmehr gilt:

- Wenn Firmen und milliardenschwere Oligarchen zur Destabilisierung der Ukraine beitragen, können sie auf eine schwarze Liste kommen.

- Von Sanktionen betroffene Unternehmen dürfen keine Geschäfte mit EU-Firmen machen und können nicht mehr über Vermögenswerte in der EU verfügen. Anzahl und Namen der Unternehmen sind aber bisher offen.

- Bis Ende Juli soll über eine erste Liste von Unternehmen entschieden werden, für die neuen Sanktionen gelten sollen.

- Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll die Unterzeichnung neuer Finanzierungsmaßnahmen in Russland aussetzen. Zudem wird die EU-Kommission aufgefordert, die Programme für die Zusammenarbeit mit Russland gegebenenfalls auszusetzen. Projekte aber, die auf die Zivilgesellschaft ausgerichtet seien, sollen aufrechterhalten werden.

RÜCKBLICK: Der EU-Gipfel vom 27. Juni hatte Russland aufgefordert, bis zum 30. Juni unter anderem für die Freilassung von OSZE-Geiseln zu sorgen und an Friedensverhandlungen teilzunehmen. Auf ausbleibende Fortschritte reagierte der EU-Ministerrat am 11. Juli mit elf weiteren Einreiseverboten und Kontensperrungen. Zudem wird als ein Grund für die Ausweitung eine mangelhafte Grenzkontrolle genannt.

Die EU und die Ukraine haben am 27. Juni ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen unterzeichnet. Es soll den EU-Markt für die Ukraine öffnen und zugleich demokratische Reformen im Land unterstützen. Außerdem hat die EU eine Zahlungsbilanzhilfe in Höhe von 1,6 Milliarden Euro zugesagt. In den nächsten Jahren sollen auch EU-Hilfsmaßnahmen mit einem Volumen von 11 Milliarden Euro greifen.

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