Auschwitz-Gedenken: Putin und die Lehren aus der Geschichte

Auschwitz-Gedenken: Putin und die Lehren aus der Geschichte
Staatschefs in Yad Vashem. Polens Präsident kam nicht, Putin hielt sich mit Seitenhieben zurück

Aus Jerusalem: Norbert Jessen

Soviel Weltführer hat selbst Jerusalem, die „Mitte der Welt“, noch nie zuvor gesehen. Zum fünften Holocaust Weltforum am 75. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz reisten am Donnerstag Regierungs- und Staatschefs aus über 40 Staaten an. Zum weltweiten Kampf gegen Antisemitismus.

Die Vertreter der EU gaben dabei eine gemeinsame Erklärung ab: „Wir können die Geschichte nicht ändern, aber die Lehren aus der Geschichte können uns verändern.“

Polen fehlte 

Doch war das Forum überschattet von Versuchen, widersprüchliche Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. So kamen zwar viele, aber nicht alle: Mit Russlands Präsident Wladimir Putin, US-Vizepräsident Mike Pence, Prinz Charles und aus Frankreich Emmanuel Macron die Vertreter der Siegerstaaten des 2. Weltkriegs.

Auschwitz-Gedenken: Putin und die Lehren aus der Geschichte

Mit Frank-Walter Steinmeier und Alexander van der Bellen auch die Vertreter der Kriegsverlierer. Wodurch das Fernbleiben des polnischen Präsidenten Andrzej Duda umso auffälliger wurde. Der sagte ab, weil er vor dem Forum kein Rederecht erhielt.

Nicht ganz grundlos, meinen auch viele Israelis. Die haben ihre Probleme mit polnischen Versuchen, ein Geschichtsbild ohne jede polnische Teilnahme zu schaffen.

Russischer Schatten

„Israel hat sich zwischen politische Fronten drängen lassen“, analysierte das Dilemma ein israelischer Diplomat im Ruhestand, „wobei Polen allenfalls in der EU als Verbündeter eine Rolle spielt. Die russische Armee aber steht in Sichtweite vor der israelischen Nordgrenze. Mit Einfluss in und auf Syrien, aber auch Iran. Israel hat da keine Wahl“.

Die osteuropäische Unzufriedenheit wurde bekräftigt, nachdem auch Litauens Präsident absagte. Der ukrainische Präsident Wolodomir Selenskij, das einzige jüdische Staatsoberhaupt neben Israels Präsident Reuven Rivlin, sagte seinen Besuch nicht ab. Doch signalisierte er Solidarität mit Andrzej Duda, in dem er die Sitze seiner Delegation zugunsten Holocaust-Überlebender räumte.

Dudas Befürchtung, das russische Narrativ könne auf dem Forum Deutungshoheit gewinnen, waren übertrieben. Putin ließ tatsächlich die Rolle Stalins außen vor, nannte den Holocaust ein Mal auch „eine gemeinsame Tragödie“ von Russen und Juden, unterließ aber offene Seitenhiebe gegen Polen.

Gegen Antisemitismus

Reuven Rivlin betonte zusätzlich immer wieder Gemeinsamkeiten aller Beteiligen. Wobei er als einziger das eigentliche Thema des Forums in den Vordergrund stellte: Kampf für Menschenrechte und gegen Antisemitismus. Dass dieser Kampf 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz immer wichtiger wird, betonte vor allem der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner auf Englisch gehaltenen Rede: „Die bösen Geister zeigen sich in neuem Gewand.“ Wenn jüdische Schüler auf dem Schulhof bespuckt werden und nur ein festes Holztor in Halle ein Massaker in der Synagoge verhindert.

Nur Vizepräsident Mike Pence erwähnte wie Israels Premier Benjamin Netanyahu „die wildeste genozidale Bedrohung gegen Juden von heute“ aus dem Iran. Viele kritisierten die Tatsache, dass nur wenige Überlebende am Forum teilnehmen konnten. Durch die starke internationale Teilnahme waren die Sitze für sie beschränkt. Dabei hätte das Forum entspannter ablaufen können, hätten die Politiker den Überlebenden das Wort überlassen.

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