Aufweichung von Klimazielen: Al Gore teilt gegen Briten-Premier aus

Prime Minister Rishi Sunak holds news conference on Green Agenda
Kurz vor Parteitag der Konservativen kündigte Sunak Aufweichung der bisherigen Klimaziele an

Der britische Premierminister Rishi Sunak hat mit seiner überraschenden Aufweichung der Klimaziele seines Landes kontroverse Reaktionen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft hervorgerufen. Der konservative Premier will eine deutliche Kehrtwende bei den Klimaverpflichtungen, er versprach, seine Partei auf einen radikaleren Weg zu bringen, um vor den nächsten Parlamentswahlen den Abstand zur Labour-Partei zu verringern.

Der britische Guardian hat dazu Fachleute befragt:

Jim Watson, Professor für Energiepolitik und Direktor des UCL-Instituts für nachhaltige Ressourcen, meint: „Rishi Sunaks Netto-Null-Rede ist voller Widersprüche und wird es schwieriger machen, unsere mittel- und langfristigen Klimaschutzziele zu erreichen. Es besteht auch die Gefahr, dass die Kosten steigen, indem die Abkehr von fossilen Brennstoffen verzögert wird und die wirtschaftlichen Vorteile für das Vereinigte Königreich verringert werden.“

Prof. Sir Brian Hoskins, Vorsitzender des Grantham Institute am Imperial College London, meinte dazu: „Unser Premierminister will seinen Kuchen haben und ihn essen, wenn er sagt, dass die Regierung an den britischen Klimaschutzzielen festhalten, aber die Politik zur Erreichung dieser Ziele schwächen will. Laut dem Juni-Bericht seiner Berater, dem Climate Change Committee, waren die bestehenden Maßnahmen bereits zu schwach.“

Und Al Gore, ehemaliger US-Vizepräsident und Klimaaktivist, sagte gegenüber Sky News, dass Sunak „das Falsche getan“ habe, indem er die grüne Politik eingeschränkt habe. Er fügte hinzu: „Ich finde es bedauerlich, dass er das getan hat. Und ich denke, die Menschen im Vereinigten Königreich sind sich weitgehend einig, dass es die falsche Entscheidung ist. Aber das ist Sache der Menschen im Vereinigten Königreich. Ich bin definitiv anderer Meinung als er.“

Worum geht es:

Wie er am Mittwochabend bei einer Rede in der Londoner Downing Street bestätigte, soll das Aus für Neuwagen mit Verbrennermotoren von 2030 auf 2035 verschoben werden. Auch bei der Umstellung von Gas- und Ölheizungen auf Wärmepumpen will Sunak auf die Bremse treten.

Kritiker warnten außerdem, der Schritt setze bereits getätigte Investitionen der Wirtschaft in die Umstellung auf E-Mobilität aufs Spiel. Der Autohersteller Ford warf Sunak vor, die Bedürfnisse der Industrie zu missachten. "Unsere Branche braucht drei Dinge von der britischen Regierung: Ambitionen, Engagement und Konsistenz", heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Eine Lockerung des Verbrenner-Aus würde alle drei untergraben.

Ex-Premierminister und Sunaks Parteifreund Boris Johnson kritisierte, Unternehmen müssten Sicherheit über die Ziele für Klimaneutralität des Landes haben. "Wir können es uns nicht leisten, jetzt einzuknicken", sagte Johnson laut einer Mitteilung. Johnson hatte seinem Land ambitionierte Klimaziele verordnet, die von seinen Nachfolgern nun nach und nach aufgekündigt werden. Das Thema dürfte eine große Rolle auf dem Parteitag der Konservativen in Manchester Anfang Oktober spielen.

Sunak stritt ab, mit dem Schritt hauptsächlich auf die schlechten Umfragewerte seiner Partei zu reagieren, die sich voraussichtlich im kommenden Jahr einer Parlamentswahl stellen muss. Doch der Verdacht liegt nahe, dass er sich mit der Maßnahme in erster Linie Wählerstimmen erhofft.

Beim Sieg von Sunaks Tories in der Nachwahl zum früheren Londoner Wahlkreis Johnsons im Juli galt die Opposition gegen die Erweiterung der Umweltzone ULEZ vom Londoner Labour-Bürgermeister Sadiq Khan als ausschlaggebend. Sky-News-Reporterin Beth Rigby beschrieb Sunaks Rede auch als "Startschuss für eine sehr lange Wahlkampagne".

Der energiepolitische Sprecher der oppositionellen Labour-Partei, die in Umfragen haushoch vor Sunaks Konservativen führt, kündigte an, Labour werde im Falle eines Wahlsiegs bei der für kommendes Jahr erwarteten Parlamentswahl am bisherigen Datum zum Verbrenner-Aus festhalten.

Sunak hat laut Umfragen Mehrheit auf seiner Seite

Eine Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstitut YouGov ergab jedoch, dass Sunak mit Aufschieben des Verbrenner-Aus eine Mehrheit der Bevölkerung auf seiner Seite hat. Demnach gaben 50 Prozent der Briten an, die Maßnahme zu unterstützen, nur 34 Prozent sprachen sich dafür aus, die bisherigen Ziele beizubehalten. Befragt wurden 3201 Erwachsene in Großbritannien.

Für Verwunderung sorgte, dass Sunak ankündigte, mehrere Maßnahmen zu streichen, die niemals vorgesehen waren. Dazu gehören angebliche Vorgaben darüber, wie viele Passagiere mindestens in einem Auto zu sitzen hätten, oder Steuern auf Fleisch, Flüge oder Urlaub. "Die habe ich auch in die Tonne befördert", sagte Sunak.

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