Aufnahme von Flüchtlingen: Neue Rechnungen, alter Streit

Ungarn: Teure Grenzzäune zu Serbien und Kroatien.
Ungarn in der Vorwärtsverteidigung: Statt Flüchtlinge aufzunehmen, serviert man der EU Rechnungen. Vor Gericht dürfte diese Strategie scheitern.

Knapp 1300 Flüchtlinge hätte Ungarn in den vergangenen zwei Jahren aus Griechenland oder Italien holen und aufnehmen müssen. Null sind es geworden, und bei Null wird es auch bleiben, wenn es nach dem Willen von Ungarns national-konservativem Premier Viktor Orban geht. Gegen die im September 2015 von Brüssel beschlossene Verteilung von 160.000 Flüchtlingen innerhalb der EU hatten Ungarn und die Slowakei geklagt.

Morgen, Mittwoch, dürfte der Europäische Gerichtshof (EUGH) in Luxemburg diese Klagen allerdings endgültig abweisen. Denn schon im Juli hatte EUGH-Generalanwalt Yves Bot, dessen Empfehlungen die Richter meist folgen, genau dies vorgeschlagen: Ungarn und die Slowakei wären also im Umkehrschluss dazu verpflichtet, ihre Flüchtlingsquoten zu erfüllen.

Millionenrechnung

Doch noch ehe die Richter in Luxemburg ihr Urteil publik machen konnten, überraschte Ungarns Premier in der Vorwoche mit einer Forderung: Mehr als 400 Millionen Euro solle Brüssel an die Regierung in Budapest überweisen – die Hälfte der Kosten für Bau und Sicherung des Grenzzauns zu Serbien und Kroatien. Schließlich habe der Aufwand zur Verteidigung "nicht nur unserer selbst, sondern ganz Europas gegen die Flut illegaler Migranten" gedient. Im vom ungarischen Premier dauerbeschimpften Brüssel entlockte Orbans Rechnungsbrief nicht einmal ein müdes Lächeln. Die EU zahle nicht für den Bau von Mauern, hieß es lediglich. Für derartige Forderungen gebe es keine rechtliche Grundlage, stellte auch der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Othmar Karas, fest.

Vorstellbar aber sind finanzielle Hilfen für Grenzüberwachungsmaßnahmen, etwa für Kameras oder andere Ausrüstung. Bulgarien etwa, das einen Zaun zur Türkei errichtete, holt sich auf diese Weise über 100 Millionen Euro von der EU.

In Brüssel sieht man die forsche Forderung aus Budapest in direktem Zusammenhang mit dem für morgen erwarteten EUGH-Urteil. Und der nächste, für mehrere mittel- und osteuropäischen Staaten unangenehme Gang vor Gericht, dürfte alsbald folgen. Die EU-Kommission hat bereits im Juli die nächste Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Quotenverweigerer Polen, Ungarn und Tschechien eingeleitet. Die drei Länder haben sich kategorisch geweigert, Flüchtlinge im Rahmen der EU-Umverteilung aus Italien und Griechenland aufzunehmen. Der nächste Schritt ist nun eine drohende Klage der EU-Kommission vor dem EU-Gerichtshof. Bekommt Brüssel Recht, drohen den drei Ländern empfindliche Geldstrafen.

Von den bisher 160.000 zur Umverteilung vorgesehenen Flüchtlingen haben bisher kaum 30.000 eine neue Heimat in anderen EU-Staaten gefunden. Nur 50 von ihnen, zumeist unbegleitete Jugendliche, sollen aus Italien geholt werden und in Österreich Aufnahme finden. Das Relocation-Programm der EU zur Umverteilung von Flüchtlingen soll vorerst um einige Monate verlängert werden.

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