Aufklärung der NSA-Lauschaffäre "geht voran“

Nach zwei Monaten kommt die Regierung langsam aus der Defensive

Zum dritten Mal musste am Montag der Geheimdienstkoordinator der Regierung, Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), dem Geheimdienst-Kontrollgremium des Parlaments Rede und Antwort stehen. Die Opposition wollte ihn darin anhand der Behauptungen des Ex-US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden weiter zum Mitwisser und illegalen Mitarbeiter bei der US-Jagd nach Terroristen stempeln.

Diesmal ging es vor allem um die Weitergabe von Handy-Daten deutscher Islamisten an die US-Dienste. Diese, so vermutete die Opposition anhand weiterer Snowden-Behauptungen, dienten als Hilfe bei der Zielführung tödlicher US-Drohnenangriffe auf Terroristen im Jemen, in Afghanistan und Pakistan.

Aufklärung der NSA-Lauschaffäre "geht voran“
epa03800621 Chief of Staff to the German Chancellery, Ronald Pofalla (C) arrives for the special meeting of the Parliamentary Control Panel on the spying affair in Berlin, Germany, 25 July 2013. At the meeting, Pofalla must provide information about the Federal Government' level of knowledge on the NSA spying program. EPA/MICHAEL KAPPELER
Pofalla bestritt auch das entschieden. Die Daten seien ungeeignet zur Beihilfe für gezielte Tötungen. Auch im einzig bekannten Fall eines deutschen Islamisten 2011 sei das so gewesen. Wie schon zulezt versicherte Pofalla anschließend vor der Presse, dass sich die deutschen Dienste streng an die restriktiven deutschen Gesetze hielten, jedenfalls in Deutschland.

SPD-Mitverantwortung

Pofalla drehte den Spieß der Oppositions-Vorwürfe um und legte die wichtigste Grundlage für die Zusammenarbeit der deutschen mit den US-Diensten vor: Sie stammt von seinem Vorvorgänger Franz-Walter Steinmeier 2002. Der heutige SPD-Fraktionschef und damalige Kanzleramtsminister von SPD-Kanzler Gerhard Schröder empörte sich umgehend darüber als „Lügen und Verleumdungen“ . Er könne sich daran nicht erinnern und verlangte seinerseits, seine Aussage vor dem Gremium dazu machen zu können. Das lehnte dessen Regierungsmehrheit ab, weil sie sich nicht genug darauf vorbereiten hätte können. Wie schon bei den letzten Pofalla-Aussagen sahen die Oppositions-Sprecher erwartungsgemäß auch diesmal „die meisten der Fragen unbeantwortet“.

Die Affäre ist damit – vor den Wahlen am 22. September – endgültig zum Wahlkampf-Hickack geworden und für die Opposition zunehmend wertlos. Deshalb wächst nun auch in der SPD die Kritik an der Führung: Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte Merkel die „Verletzung des Amtseids“ vorgeworfen, SPD-Chef Sigmar Gabriel Anklage der „deutschen Helfershelfer“ der US-Geheimdienstchefs verlangt.

Der SPD-Vertreter im Ausschuss kritisierte nun in der FAZ die „antiamerikanische Komponente“ und verlangte „Zurückhaltung“, denn die Zusammenarbeit mit den USA sei „nur bedingt als Wahlkampfthema“ geeignet.

Die Enthüllungen des Ex-US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden über die angeblich flächendeckende Ausspähung allen Datenverkehrs auch außerhalb der USA hatten nirgends eine so empörte Reaktion wie in Deutschland, wo Datenschutz politisch heikler ist als sonstwo – und Wahlkampf. Vor allem aus letztem Grund sind die Fakten weiter heftig umstritten, wenngleich nicht mehr so brisant wie anfangs.

– Umfang Die laut Snowden vom US-Dienst NSA verfolgten 500 Millionen Mails im Monat in und über Deutschland sind auch zwei Monate danach durch nichts sonst belegbar. Die Bundesregierung und die deutschen Dienste bestreiten entschieden Wissen oder gar Mitwirkung am Auslesen von Terrorismus- unverdächtigen deutschen Bürgern und wirken dabei nach anfänglicher Verwirrung nun glaubwürdiger.

– Daten-Abgreifen am weltweit größten Internetknoten Frankfurt Auch dafür gibt es weiter keinen deutschen Beweis.

– Übernahme von US-Datensoftware zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen Die deutschen Dienste nutzen sie nur gesetzeskonform im Ausland zum Schutz deutscher Bürger und Soldaten.

– Weitergabe von Handy-Nummern zur Ortung verdächtiger Personen Erfolgt laut deutscher Regierung und Diensten ebenfalls nur im Ausland, sei aber für gezielte US-Drohnen-Tötungen ungeeignet. Auch sie basiert auf Vereinbarungen der rot-grünen Bundesregierung mit den USA.

Es wäre naiv zu glauben, dass die vom „11. September“ (und der in Deutschland unentdeckten Vorbereitung) traumatisierten Amerikaner nicht jedes technische und logistische Mittel einsetzten, um Wiederholungen zu verhindern. Was ja auch in bisher ungeahnt effizienter Weise gelang. Dass sie dazu alte juristisch-moralische Grenzen überschreiten, war vor dem Snowden-Verrat klar – jeder Krieg, auch der gegen den Terror, macht seine neuen Gesetze.

Aber nur in Deutschland ließ sich aus der neuen Verhältnismäßigkeit der Mittel so große mediale und politische Empörung ableiten. Obwohl seine Bürger überproportional profitieren und es selbst mit Millionen höchst illegal Nachbarn ausspioniert – nicht für Menschenleben, sondern nur ein paar Promille mehr Steuern.

Doch die Empörung (an den Stammtischen reicht sie nur für Witze) bringt den von den Akteuren ersehnten Effekt nicht: Kanzlerin Merkel ist auch damit nicht „anzupatzen“, er bringt der Opposition bisher kaum Stimmen. Potenzielle Wechselwähler sind auch da realistisch – und weniger US-kritisch als Rot-Grün.

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