Auf dem rechten Auge blind? Regierungschef in Erklärungsnöten

Pegida-Demo in Dresden: Unterwandert von der NPD
Sachsens Ministerpräsident wird vorgeworfen, zu wenig gegen Rechtsextremismus zu unternehmen.

Nein, eigene Versäumnisse sieht er nicht. Die Erklärung, die Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich am Dienstag wegen der Häufung fremdenfeindlicher Übergriffe im Freistaat abgegeben hat, blieb vielen Beobachtern zu halbherzig: Zwar prangerte der CDU-Politiker die "schändlichen und verbrecherischen Umtriebe" an und versprach eine Aufstockung der Polizei, er verbat sich aber die Kritik, die gerade über Sachsen hereinbreche. "Pauschale Verurteilungen helfen nicht weiter. Ich glaube, dass wir eine sachliche Debatte brauchen", war der Satz, den er am öftesten verwendete.

Versäumnisse

Tillich steht unter Druck – und das nicht erst seit dem letzten Wochenende, als ein pöbelnder Mob einen Flüchtlingsbus in Clausnitz abgefangen hat und in Bautzen eine Menge vor einem brennenden Asylheim applaudierte (mehr dazu hier). Schon seit Jahren wird der seit der Wende regierenden CDU vorgeworfen, zu wenig gegen den ausufernden Rechtsextremismus zu unternehmen. Während etwa das NSU-Terrortrio zwölf Jahre von den Behörden unentdeckt im Freistaat leben und Morde planen konnte, sprach der damalige Ministerpräsident Kurt Biedenkopf noch davon, dass die Sachsen "immun" gegen Rechtsextremismus seien. Die NPD, gegen die derzeit wieder ein Verbotsverfahren läuft, schaffte es kurze Zeit später mit neun Prozent in den Landtag. Jetzt hat sich die Situation nochmals zugespitzt. 51 Angriffe auf Flüchtlinge und Asylheime wurden im laufenden Jahr bereits im Freistaat gezählt – das ist der höchste Wert pro Einwohner in Deutschland.

"Die Regierung hat das Problem lange Zeit verharmlost oder sogar geleugnet", sagt der Berliner Extremismusforscher Hajo Funke. Jetzt sei die Lage außer Kontrolle geraten, weil die NPD sich unter jene mische, die mit Pegida in Dresden auf die Straße gehen. In kleineren Städten organisiert die Partei Aufmärsche und Fackelzüge, zu der sie bewusst Bürger einlädt, die wegen der Lage verunsichert sind. Auch die AfD setzt auf die selbe Strategie – an der Krawalldemo in Clausnitz etwa waren Parteimitglieder beteiligt, hat Parteichefin Petry nun einräumen müssen.

In Berlin moniert man schon länger, dass in Sachsen viele "am rechten Auge blind" seinen. Dass Tillich nun wieder sehr zurückhaltend auf die Vorfälle reagiert hat, sorgt erneut für Kopfschütteln. "Der Fisch beginnt vom Kopf zu stinken", urteilte etwa Grünen-Chef Cem Özdemir – eine Anspielung darauf, dass der CDUler beim Aufkeimen der Pegida-Bewegung Sätze wie "der Islam gehört nicht zu Sachsen" sagte und dafür von ganz rechts bejubelt wurde. Am Dienstag wiederholte er das zwar nicht, setzte sich aber mit einer anderen Verharmlosung ins Fettnäpfchen: Er verglich die Krawalle in Clausnitz und Bautzen mit den Demos gegen "Stuttgart 21".

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