Zwischen Pleite und letzter großer Chance

Die Außenminister Zarif (l.) und Kerry bei ihrem Gesprächsmarathon
US-Außenminister John Kerry drängt auf Nachgeben.

So lange war schon lange kein amerikanischer Außenminister mehr in Wien: Sonntagnacht reiste John Kerry an, erst für Dienstag war seine Abreise geplant. Grund für den Gesprächsmarathon, den der US-Chefdiplomat in Wien absolvierte: Die Gespräche der UNO-Vetomächte plus Deutschland (5+1) mit dem Iran über die Nutzung seiner Atomenergie. Die im Februar aus Genf nach Wien übersiedelten Verhandlungen hätten bis kommenden Sonntag mit einem Ergebnis finalisiert werden sollen, das die friedliche Atomenergienutzung, internationale Kontrollen und damit verbunden die Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran finalisiert. Doch in der vergangenen Woche gerieten die Atomgespräche in eine Sackgasse.

Am Wochenende versuchten die Außenminister der USA, Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens vom Iran Zugeständnisse zu erreichen und damit wenigstens eine Verlängerung der Gespräche über den 20. Juli hinaus zu ermöglichen. Laurent Fabius, Frank-Walter Steinmeier und William Hague reisten unverrichteter Dinge wieder ab, John Kerry blieb. Allein bis Montagnachmittag traf er im Palais Coburg in der Wiener Innenstadt zwei Mal mit seinem iranischen Amtskollegen Mohammad Javad Zarif zusammen. Der hatte am Vortag seine Bereitschaft geäußert, die bilateralen Gespräche mit Kerry fortzusetzen, um "zusammen mit neuen Ideen nach Lösungen zu suchen".

Laut unbestätigten Twitter-Meldungen soll auch ein Bruder des iranischen Präsidenten Hassan Rohani zum Verhandlungsteam in Wien gestoßen sein.

Knackpunkt bei den Verhandlungen ist die Urananreicherung. Der Westen will dem Iran maximal 5000 Zentrifugen zubilligen, der Iran besitzt 19.000 und strebt 50.000 an. Mit ihnen ließen sich umso leichter Atomwaffen bauen. Irans geistlicher Führer Ayatollah Khamenei hatte vergangene Woche mittelfristig sogar 190.000 Zentrifugen beansprucht.

Hintergrund der wieder verhärteten iranischen Position ist einerseits der interne Machtkampf zwischen der geistlichen Führung und dem gemäßigteren Präsidenten Rohani. Und andererseits das Wissen des Iran, in der sich neu entwickelnden Situation im Nahen Osten mit der radikalen ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) als Gegengewicht vom Westen gebraucht zu werden. Umgekehrt wissen vor allem die USA, dass man den Iran noch nie so weit "im Boot" hatte wie bei diesen Atomgesprächen – würden sie scheitern, wäre das nicht nur eine diplomatische Pleite, sondern eine verpasste Chance für eine Normalisierung der Beziehungen und eine wichtige Allianz im Nahen Osten.

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