Nach Interview-Eklat erhalten AfD-Verbotsinitiativen neue Brisanz

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Alice Weidel wurde als Chefin der Rechtspopulisten im ARD-Sommergespräch niedergebrüllt. Heftige Debatten in Berlin.

„Scheiß-AfD“, dröhnte es am Sonntagnachmittag im Berliner Regierungsviertel an der Spree. Und die aus Boxen gehämmerte Parole hatte eine Adressatin – die AfD-Frontfrau Alice Weidel, die sich der ARD im Freien dem Sommerinterview stellte.

Zeitweise war der Lärm derart ohrenbetäubend, dass man weder die Politikerin noch den Moderator verstand. Dennoch wurde das Gespräch  in dieser aufgeheizten Atmosphäre zu Ende geführt.

AfD party co-leader Alice Weidel attends summer interview in Berlin

Nach heftiger Kritik kündigte die ARD an, für weitere Gespräche „Vorkehrungen“ zu treffen – ohne Details zu nennen. Für die AfD forderte der Vize-Fraktionschef im deutschen Bundestag, Markus Frohnmaier, eine Neuauflage des Interviews: „Ich erwarte, dass das Gespräch unter fairen Bedingungen wiederholt wird.“

Free Democratic Party's (FDP) party convention in Berlin

Vize-FDP-Chef Kubicki wittert Kalkül hinter dem Interview

Der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki erkennt Kalkül hinter dem Vorgehen der AfD-Chefin: „Die Situation hat Frau Weidel in die Hände gespielt und sie wäre dumm gewesen, das nicht zu nutzen“, sagte er im Interview mit der "Welt".  Und weiter: „Sie konnte so dokumentieren, wir werden von der ARD unfair behandelt“. Die Rundfunkanstalt rechtfertigte das Vorgehen so, dass ein "Abbruch auch als Kapitulation vor den Störern" zu interpretieren gewesen wäre.

"Gesichert rechtsextremistisch"

Vor diesem Hintergrund, der im politischen Berlin auch am Montag heftig diskutiert wurde, erhalten die Bemühungen, die AfD als politische Kraft zu verbieten, neue Brisanz. Wobei sich diese aus Strängen speisen. Zum einen aus einem Urteil des Verfassungsgerichts vom Mai dieses Jahres. Darin wird die Gesamtpartei als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Und zum anderen aus Initiativen der SPD und Grünen.

Was das Urteil des deutschen Höchstgerichts in Karlsruhe anbelangt, ist die  AfD dagegen juristisch vorgegangen, der Richterspruch liegt daher vorläufig auf Eis. Spitzenvertreter der rechtspopulistischen Partei bezeichnen das Verfassungsgericht immer wieder als Erfüllungsgehilfen der etablierten politischen Kräfte.

Basierend auf dem Erkenntnis in Karlsruhe – einzelne AfD-Landesverbände  waren bereits zuvor als „gesichert rechtsextremistisch“ gebrandmarkt worden – strengen Sozialdemokraten und Grüne ein Verbotsverfahren an, während die Union eher auf der Bremse steht.  Ein entsprechender Antrag wurde jedenfalls auf dem Parteitag der Sozialdemokraten im Vormonat angenommen.

SPD-Landesinnenminister Georg Maier, der es im ostdeutschen Bundesland Thüringen mit AfD-Mann Björn Höcke mit einem besonderen Hardliner zu tun hat, dazu: Die AfD sei eine völkische, menschenverachtende Partei, deren Ziel es sei, „unsere Demokratie zu beseitigen“.  Ähnlich argumentieren die Grünen. Eingebracht muss ein entsprechender Antrag von der Bundesregierung, dem Bundestag oder dem Bundesrat werden.

AfD party co-leader Alice Weidel attends summer interview in Berlin

Das Problem dabei: Offenbar fehlen die Grundlagen für ein Verbot der Gesamtpartei. „Ein Verbotsverfahren hat zum jetzigen Zeitpunkt wenig Aussicht auf Erfolg“, meint etwa die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung".

Die Begründung der Juristin, die am fehlgeschlagenen zweiten NPD-Verbotsverfahren beteiligt gewesen war: „Es reicht nicht, dass eine Partei verfassungsfeindliche Positionen vertritt“, es müsse zudem nachgewiesen werden, „dass sie planvoll, aktiv und kämpferisch gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorgeht, und zwar in ihrer Gesamtheit“.

Mehrheit gegen AfD-Verbot

Nicht  nur juristische Barrieren sprechen offenbar gegen ein rechtliches Vorgehen gegen die AfD, auch politische. Denn laut einer jüngst durchgeführten, repräsentativen  Umfragen des Allensbach-Instituts im Auftrag der "FAZ" lehnt eine Mehrheit der Deutschen ein AfD-Verbot ab. Konkret sprechen sich 52 Prozent dagegen aus, jeder Vierte (27 Prozent) wäre dafür. Im Osten der Bundesrepublik sind gar zwei Drittel gegen ein Verbot, im Westen sind es 49 Prozent.

Die Gründe 

Vor allem zwei Hauptgründe werden gegen das Verbot ins Treffen geführt. Erstens – eine persönliche Beziehung: Während 67 Prozent der Westdeutschen und 88 Prozent der Ostdeutschen in ihren jeweiligen Bekanntenkreisen AfD-Anhänger haben, stufen sie diese doch nur zu fünf Prozent  als rechtsextrem ein. Und zweitens verurteilen viele die vermeintliche Idee hinter einem  AfD-Verbotsantrag, eine lästige Konkurrenz legistisch ausschalten zu wollen. 

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