Spitzelvorwurf gegen kritischen Walesa

Verpflichtungserklärung gefunden. Rolle des Solidarnosc-Führers 1989 teilt das Land.

"Bolek", der Name verfolgt die Solidarnosc-Legende Lech Walesa seit Jahren. Unter diesem Decknamen soll der Gründer der ersten freien Gewerkschaft Polens in den 70er- und 80er-Jahren als "geheimer Mitarbeiter" vom Inlandsgeheimdienst SB geführt worden sein. Nun will das staatliche "Institut für Nationales Gedenken" bei der Witwe des für den SB zuständigen Generals Kiszczak die Verpflichtungserklärung Walesas gefunden haben. Die Unterschrift sei authentisch, sagte IPN-Direktor Kamniski am Donnerstag.

Der 72-jährige Walesa sieht die Anschuldigungen offiziell gelassen: "Ihr kleinen Leute, man richtet nicht über den Sieger", beschied er auf seinem Blog seinen Gegnern. Der ehemalige Präsident Polens hat immer verneint, jemals "Bolek" gewesen zu sein. Kontakte Anfang der 70er-Jahre zum SB gab er zu. Als er 1980 den Arbeiterprotest auf der Danziger Werft anführte, sei der Kontakt schon lange abgebrochen gewesen.

Entlastung im Jahr 2000

Ein "Durchleuchtungsgericht" kam 2000 zum Schluss, der SB habe seine Akte gefälscht, um Walesa zu belasten. Historiker des IPN behaupten, Walesa habe in seiner Zeit als Staatspräsident Anfang der 90er-Jahre seine Akten holen lassen und Dokumente entfernt. Der Kampf um die Rolle Walesas teilt Polen seit Jahrzehnten. Nationalkonservative Polen glauben, dass der "Runde Tisch", an dem 1989 die ersten (halbwegs) freien Wahlen im Ostblock ausgehandelt wurden, ein Verrat sei. Damals wurde die Gelegenheit verpasst, wirklich mit dem Kommunismus abzurechnen. Die PiS-Partei unter Jaroslaw und Lech Kaczynski wollte dies in den Regierungsjahren 2005 bis 2007 nachholen, verschreckte jedoch mit den Bloßstellungen politischer Gegner die Bevölkerung.

Lech Walesa gilt als scharfer Kritiker der seit drei Monaten amtierenden Regierung wegen Veränderungen in der Gewaltenteilung und der Übernahme der öffentlich-rechtlichen Medien. Er sprach von "Bürgerkrieg". Er glaubt, dass die Regierung unter Ministerpräsidentin Beata Szydlo – dirigiert von Parteichef Jaroslaw Kaczynski – die Freiheit des Landes aufs Spiel setzt. Walesa, der 1983 den Friedensnobelpreis erhielt, erreicht mit solchen Worten eine Weltöffentlichkeit. Sollte sich der Spitzelvorwurf betätigen, wird seine Autorität schwinden.

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