Arbeitsverbot für Frauen in NGO: Westlicher Schulterschluss gegen Taliban

Arbeitsverbot für Frauen in NGO: Westlicher Schulterschluss gegen Taliban
UNO, EU und 12 Einzelstaaten, darunter die USA, verurteilen die rigide Maßnahme der afghanischen Machthaber. Warum die so gefährlich ist.

Das Arbeitsverbot für Frauen in Hilfsorganisationen, das die Taliban vor knapp einer Woche verhängt haben, hat weltweit Entsetzen ausgelöst. Nach dem UN-Sicherheitsrat haben nun auch 12 westliche Staaten die sofortige Aufhebung „der rücksichtlosen und gefährlichen Anordnung“ gefordert, die Afghanistan noch tiefer ins Elend zu stürzen droht.

Millionen von Menschen seien durch das Verbot gefährdet, da ihr Überleben von humanitärer Hilfe abhänge, heißt es in einer Erklärung der Außenminister der USA, Deutschlands und Frankreichs sowie von Australien, Kanada, Italien, Japan, Dänemark, Norwegen, Großbritannien, der Schweiz und der Niederlande.

Land am Abgrund

Laut UNO ist mindestens die Hälfte der knapp 40 Millionen Afghanen von Hunger bedroht, geschätzte drei Millionen Kinder unter fünf Jahren sind unterernährt. Nach vier Jahrzehnten Krieg hat die neuerliche Machtergreifung der Taliban im August 2021 und der darauf folgende Abzug des Westens das Land in den wirtschaftlichen Ruin gedrängt.

Staatliche Hilfszahlungen wurden eingestellt, Zigtausende Jobs gingen verloren, ein verheerendes Erdbeben und anhaltende Dürre verschärften die Lage. Mehr als drei Millionen Menschen leben heute als Binnenflüchtlinge.

Neben UN-Organisationen, die vom Arbeitsverbot für Frauen (noch) ausgeschlossen sind, sind es NGOs, die die Versorgung der Menschen mit dem Nötigsten aufrecht erhielten. Sie betreuen Flüchtlingscamps, versorgen Notleidende mit Nahrung oder Medikamenten, sichern ärztliche Behandlung auch in entlegenen Regionen und unterrichten Mädchen in Grundschulen. Höhere Bildung und seit kurzem auch Universitätsstudien sind diesen ohnehin versagt.

„Nicht richtig verhüllt“

Da es unter dem Taliban-Regime verboten ist, dass Männer Kontakt zu Frauen außerhalb ihrer Familie haben (etwa Ärzte, Lehrer oder Krankenpfleger), sind NGOs dringend auf weibliche Mitarbeitende angewiesen; viele davon sind Afghaninnen. Für sie ist es oft eine der letzten verbleibenden Möglichkeiten, überhaupt zu arbeiten, ihre Familien finanziell zu unterstützen und das Haus zu verlassen.

Seit der Verhängung des Arbeitsverbots mussten laut UNO bereits einige Hilfsprojekte aus Personalmangel eingestellt werden. Etliche Hilfsorganisationen, darunter die Welthungerhilfe oder die Norwegische Flüchtlingshilfe, setzten ihre Arbeit aus Protest aus. Andere, wie die deutsche Caritas International, hoffen auf einen Kompromiss mit den Taliban.

Diese begründen das Berufsverbot damit, dass sich NGO-Angestellte „nicht ordentlich verhüllt“ hätten. Gegenüber der dpa wiesen das mehrere Organisationen zurück. Nie hätten Taliban ihre Autos oder Büroräume kontrolliert, in denen sich Mitarbeiterinnen aufgehalten hätten, sagte eine NGO mit Niederlassungen in mehreren Provinzen. Außerdem wären derartige Inspektionen laut den Taliban-Regeln ohnehin verboten.

Ob der Protest des Westens Eindruck auf die Taliban macht, ist fraglich. „Ihr Ziel ist es, Frauen aus der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen“, sagte Stefan Recker von Caritas International jüngst der ARD. „Vielleicht setzt irgendwann ein Wandel ein, wenn der letzte Taliban merkt, dass das Gesundheitswesen zusammenbricht, wenn es keine Ärztinnen und Krankenschwestern gibt.“

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