Selenskij schwört Europa auf "historischen Kampf" gegen Russland ein
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hat die Bürgerinnen und Bürger der EU in einer emotionalen Rede im Europaparlament auf den gemeinsamen Kampf gegen Russland eingeschworen. "Nur unser unweigerlicher Sieg wird die gemeinsamen europäischen Werte wahren", sagte der 45-jährige Staatschef am Donnerstag im Plenum des Brüsseler Parlaments. Zugleich bedankte er sich in seiner rund 15-minütigen Ansprache für die Hilfe im Krieg gegen Russland.
Die Abgeordneten begrüßten den Ehrengast mit Jubel und lautem Applaus. Nach seiner Rede applaudierten die Parlamentarier rund eineinhalb Minuten, ehe sowohl die ukrainische als auch die Europahymne gespielt wurden. Die Ukraine verteidigt sich seit fast einem Jahr gegen eine russische Invasion. Zugleich strebt das osteuropäische Land in die Europäische Union. "Für die Ukraine ist es der Weg nach Hause", sagte Selenskij, der nicht wie sonst häufig im olivgrünen, sondern im schwarzen Pullover mit dem Schriftzug "United24" auftrat. Dies weist auf die von ihm gestartete gleichnamige Spendenplattform für die Ukraine hin.
KURIER-Redakteurin Ingrid Steiner-Gashi live aus Brüssel
Nach seiner Rede im Parlament traf Selenskij sich zu Gesprächen mit den Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel unweit des Parlaments. Erst in der vergangenen Woche waren EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel zu einem EU-Ukraine-Gipfel nach Kiew gereist.
Selenskij will in die EU
In seiner Rede im Parlament hob Selenskyj vor allem den Unterschied zwischen der "europäisch-ukrainischen" und der russischen Lebensweise hervor. "Es wird versucht, den europäischen 'Way of life' mit einem totalen Krieg zu zerstören. (...) Wir lassen das nicht zu." In Russlands brutalem Krieg gehe es nicht nur um Territorium. Zugleich seien Menschenleben in Russland nichts mehr wert. "Wir verteidigen uns gegen die antieuropäischste Kraft der zeitgenössischen Welt. Wir Ukrainer auf dem Schlachtfeld zusammen mit Ihnen." Selenskij sprach von einem "historischen Kampf".
An die EU-Bürgerinnen und -Bürger gerichtet sagte Selenskij, dass das Schicksal Europas niemals nur von Politikern abhängig gewesen sei. "Jeder und jede ist wichtig für unseren gemeinsamen Sieg." Er dankte für die Lieferung von Waffen und Munition, von Brennstoffen und Energieausrüstung, von all den Tausenden Dingen, die in dem totalen Krieg gebraucht würden. Dem Parlament dankte er dafür, den Krieg kurz nach Beginn der Invasion verurteilt und sich dafür ausgesprochen zu haben, die Ukraine zu einem EU-Beitrittskandidaten zu machen. Selenskij betonte nun: "Die Ukraine wird ein Mitglied der Europäischen Union." Europa werde frei bleiben, "so lange wir zusammenhalten".
Die Ukraine will noch in diesem Jahr mit Verhandlungen über den EU-Beitritt beginnen, darüber müssen jedoch die 27 Mitgliedstaaten einstimmig entscheiden. Erst im Sommer war das Land zum Beitrittskandidaten geworden. Nach der Rede im Parlament wurde Selenskij zu einem Gipfeltreffen mit den Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten erwartet. Es wurde erwartet, dass er sich auch dort für die Unterstützung im Krieg gegen Russland bedankt - um gleichzeitig aber mehr Tempo bei weiteren Waffenlieferungen und dem Weg der Ukraine in die EU zu machen.
Die Europareise Selenskijs ist nach einer USA-Reise im Dezember erst die zweite seit dem russischen Einmarsch am 24. Februar vergangenen Jahres. Sie hatte bereits am Mittwoch in Großbritannien begonnen, wo er auch Premierminister Rishi Sunak sowie König Charles III. traf. Am Mittwochabend kam Selenskij zudem in Paris mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen.
In London und Paris warb Selenskij bereits um weitere Militärhilfe für den Abwehrkampf gegen die russische Invasion - insbesondere um Kampfjets. Scholz versprach ihm Unterstützung so lange wie nötig, Macron "Unterstützung bis zum Sieg".
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola wurde am Donnerstag konkreter. "Nun müssen die Staaten als nächsten Schritt erwägen, rasch weitreichende Systeme und Flugzeuge bereitzustellen", sagte sie an der Seite Selenskyjs im Plenum. Diese würden benötigt, um die Freiheit zu schützen, die zu viele für selbstverständlich gehalten hätten. "Unsere Reaktion muss der Bedrohung angemessen sein - und die Bedrohung ist existenziell."
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