Nigerias Fußballfans haben Angst

Nigeria hat sich für das WM-Achtelfinale qualifiziert, aber in die Freude mischt sich Terrorangst.

Im fußballnarrischen Nigeria herrscht Hochstimmung: Ihre "Super Eagles", wie die nigerianischen Nationalteamspieler heißen, haben es in Brasilien ins Achtelfinale der Fußball-WM geschafft. Zum dritten Mal nach 1994 und 1998. Doch diesmal wollen sie erstmal ins Viertelfinale einziehen. Dafür muss Nigeria allerdings erst Argentinien und dessen Fußballhelden Lionel Messi am Montag bezwingen. Das Spiel wird ein Straßenfeger in vielen Ländern der Welt. Doch in Nigeria riskieren Fußballfans, die sich zum Public Viewing auf öffentlichen Plätzen oder in Lokalen treffen, Todesgefahr: Sie sind im Visier der radikal-islamischen Terrorgruppe Boko Haram.

Das war allen in Nigeria schon vor der WM klar, war doch schon während des Champions-League-Finales ein Attentäter mit seinem voll mit Sprengstoff gefüllten Auto in eine Gruppe von Fans gerast, die das Match auf einer Leinwand verfolgt hatten. 118 Menschen kamen dabei in der zentralnigerianischen Stadt Jos ums Leben.

In zwei Bundesstaaten des 152 Millionen Einwohner zählenden, zweitgrößten afrikanischen Landes wurde danach, wenn auch schweren Herzens, Public Viewing während der WM verboten. Doch es gibt genügend andere Ziele für die Terroristen: In der Stadt Damaturu im mehrheitlich von Muslimen bewohnten Norden Nigerias ging gleich beim Anpfiff der Partie BrasilienMexiko eine Autobombe hoch. Mindestens 21 Fußballfans kamen ums Leben, Dutzende weitere wurden verletzt. "Ich bleibe jetzt lieber zu Hause und schaue das Turnier mit meiner Familie. Aber mir fehlen die Stimmung und die Begeisterung anderer Fans", sagt ein Fußballfreund in Kano, der viertgrößten Stadt Nigerias.

Tote in Einkaufszentrum

Doch vor dem Terror ist man in Nigeria fast nirgends mehr sicher. Am Donnerstag ging in der Hauptstadt Abuja eine Bombe im sehr beliebten Einkaufszentrum "Banex Plaza" hoch. Mindestens 21 Menschen wurden getötet, viele weitere verletzt. Auch wenn es vorerst keine Bekenner gab, schrieb die Polizei die Bluttat Boko Haram zu.

Wenig später explodierte in der Wirtschaftsmetropole Lagos ein Tankwagen. Augenzeugen berichteten, dass ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug in den Tanker gerast sei. Lagos ist Nigerias Finanz- und Bankenzentrum, wichtiger Sitz der Industrie (etwa Volkswagen) und auch wegen seiner drei Häfen für Im- und Export sehr wichtig. Die Behörden schlossen einen Unfall nicht aus.

Boko Harams Kampf zielt auf die Einführung der Scharia, der islamischen Gesetzgebung, in ganz Nigeria ab. Zumindest im Norden wollen die Extremisten einen Gottesstaat errichten. Alles, was in den Augen der Islamisten "westlich" und damit "unislamisch" ist, lenke vom Glauben und der Beschäftigung mit dem Koran ab – und wird daher mit Terror bekämpft. Ziele sind Einkaufszentren oder Fußballfans sowie Lokale mit Alkoholausschank und "westliche Bildung", wie der Name Boko Haram ("Gegen westliche Bildung") schon sagt. Erst am Dienstag wurde eine neuerliche Entführung von 60 Mädchen und 30 Burschen gemeldet, was die Regierung dementierte. Von den Mitte April von Boko Haram verschleppten mehr als 200 Schulmädchen fehlt noch immer jede Spur. Anfang der Woche flog die Luftwaffe in der Region Angriffe. Dabei sollen 70 Extremisten umgekommen sein.

"Allah will es so"

Boko Haram soll allein heuer schon 3000 Menschenleben auf dem Gewissen haben. Zwei Reportern des Magazins GEO ist es gelungen, einen Kämpfer zu treffen. Und was der zu sagen hat, lässt Übles ahnen: Die Gruppe wolle mit Hilfe des Terrornetzwerks El Kaida nicht nur den Norden Nigerias unter ihre Gewalt bringen, sondern "den Sahel in eine Hölle für Ungläubige verwandeln. Allah will es so, und wir sind Allahs Diener."

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