"Denken beim Reden ist nicht einfach"

German Chancellor Angela Merkel plays a board game with children as she visits a several generations house (Mehrgenerationenhaus) "Dorflinde" in Langenfeld in Bavaria, March 25, 2013. REUTERS/Daniel Peter/Pool (GERMANY - Tags: POLITICS SOCIETY)
Rechtzeitig vor den Wahlen im Herbst erzählt Angela Merkel in einem Interview erstmals auch aus ihrem Privatleben.

Was wissen Sie über die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel? Wahrscheinlich nicht viel. Angela Merkel gab der deutschen Frauenzeitschrift Brigitte im Interview erstaunlich private Einblicke in ihr Leben.

Deutschlands Bundeskanzlerin war bisher dafür bekannt, sich privat mehr als bedeckt zu halten. Vor wenigen Monaten überraschten dann aber Paparazzi-Foto vom Badeurlaub der Kanzlerin mit Familie die Öffentlichkeit. Merkel reagierte verärgert - politische Beobachter nehmen ihr das nicht ab. Solche Aufnahmen kennt man sonst eher von Kalibern wie Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy – Ist das etwa der Versuch eines Imagewandels vor den deutschen Bundestagswahlen im Herbst?

Die Frauenzeitschrift nimmt sich derzeit Politikerinnen der deutschen Bundestagsfraktionen vor. Den Anfang machte naturgemäß die mächtigste Frau der Welt.

Das rund 90-minütige Interview fand am Donnerstagabend vor mehreren hundert ZuschauerInnen im Berliner Maxim Gorki Theater statt, die Fragen stelle die Chefredakteurin von Brigitte, Brigitte Huber. Merkel plaudert über ihre politischen Mitstreiterinnen, den Weg der Entscheidungsfindung und was sie an Männern interessant findet. Die CDU-Vorsitzende wirkte entspannt – das Publikum schien begeistert von einer auf diese lockere Art selten erlebten Merkel.

Merkel und ihr Alltag

Ihr Alltag sei ein Ausnahmezustand – die Kanzlerin schilderte, dass sie immer erreichbar, jederzeit mit einer Krise rechnen müsse. Ob sie wirklich nur vier Stunden Schlaf braucht? Nein, aber: "Ich habe gewisse kamelartige Fähigkeiten. Ich habe eine gewisse Speicherfähigkeit. Aber dann muss ich mal wieder auftanken."

Für Entscheidungen nehme sich Merkel lange Zeit, einmal entschieden, müsse sie aber nicht mehr hadern: "Dann wird der Weg gegangen" und "ich bin mit mir im Reinen." Als Beispiel dafür nannte sie die Finanzhilfen für Griechenland.

Merkel und das Schweigen

Bundeskanzlerin Angela Merkel kann außerdem dem Schweigen viel abgewinnen: "Schweigen wird ja eine Rarität in unserer Gesellschaft." Sie erklärte: "Denken beim Reden ist auch nicht so einfach." Sie mahnte: "Wenn man Verschiedenes denken will, braucht man vor dem Reden eine Phase des Schweigens." Es ärgere sie, wenn sie mal wieder "dazwischenplappert", weil sie dann nichts Neues über ihr Gegenüber erfahren könne.

Auf die Frage, wo sie wirklich Stille erlebe, antwortete die Kanzlerin spontan: "Allein in meinem Büro." Als daraufhin im Publikum laut gelacht wurde, fügte sie hinzu: "Oder am Wochenende in der Natur, wenn man mal eine Stunde Zeit hat." Sie stellte aber auch klar: "Nicht im Sinne des Ausruhens, sondern dass man mal einen Gedanken zu Ende führen kann."

Ein Pokerface will Merkel laut eigenen Angaben nicht haben - ihre Gefühle ließen sich an ihrem Gesicht ablesen: "Man muss zu sich stehen. Es wäre schlimm, wenn ich immer mit einem Pokerface rumlaufen müsste."

Merkel und die Frauen

Frauen in der Politik seien laut Merkel ganz unterschiedlich und: "Frauen sind zu Frauen auch nicht immer nett in der Politik."

"Denken beim Reden ist nicht einfach"
epa03667131 German Labour Minister Ursula von der Leyen listens to the debate on quotas for women in management positions in the German Bundestag in Berlin, Germany, 18 April 2013. Germany's parliament rejected a plan to set a women's quota on corporate boards, an issue that has stirred passionate debate in the country and forced Chancellor Angela Merkel to reverse her position in the middle of an election campaign. In a 320-277 split, the Bundestag lower house rejected a bill previously adopted by the opposition-controlled Bundesrat upper house which would set a women's quota of 40 per cent in phases starting from 2023. EPA/WOLFGANG KUMM
Ein wenig zögerte Merkel bei der Frage, ob Parteikollegin Ursula von der Leyen in der übernächsten Wahlperiode Kanzlerin werden könnte? "Ich traue das vielen zu", wich Merkel aus.

Ist Merkel eine Feministin? "Nein. Das würde die Feministinnen traurig machen, wenn ich mich dazu zählen würde."

Kann eine Mutter mit kleinen Kindern Kanzlerin werden? "Das ist sicher nicht einfach", so Merkel. "Als Kanzlerin ist man in bestimmten Situationen verpflichtet, zur Verfügung zu stehen. Für Mütter gilt dasselbe." Andererseits seien auch Väter kleiner Kinder Kanzler gewesen. Eine Kanzlerin mit kleinen Kindern brauche daher einen Partner, der bereit sei, die Verantwortung für die Kinder zu übernehmen.

Was zeichnet die moderne Frau aus? "Sie richtet sich nicht nach vermeintlichen Rollenmodellen", sagt Angela Merkel. "Sie ist frei in ihren Entscheidungen."

Merkel und die Familie

Hat sie genug Zeit für ihre Familie? "Nein."

Fragt sie ihren Mann um Rat? "Manchmal sagt er auch von selbst etwas. Die Tatsache, dass er etwas sagt, zeigt, dass es ein Problem gibt."

Merkel und die "Merkel-Raute"

Die deutsche Kanzlerin äußerte sich auch zur sogenannten "Merkel-Raute". Gemeint ist ihre typische Handhaltung bei Fototerminen. "Es war immer die Frage, wohin mit den Armen", so Merkel. Die Handhaltung verrate "eine gewisse Liebe zur Symmetrie".

Merkel und die Männer

Merkel mag "schöne Augen" bei Männern. Damit war das Thema Männer aber auch schon abgehakt. Neidisch sei sie nicht auf das andere Geschlecht. Sie habe sich im Laufe ihres Lebens angewöhnt, mit sich als Frau zufrieden zu sein. Weil offener über das Verhältnis der Geschlechter geredet werde, hätten es Männer heute auch nicht mehr "von Haus aus leichter als Frauen". Zwei Dinge würde sie aber gern so gut können wie Männer: Holzhacken und mit tiefer Stimme sprechen.

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