Angebliches Opfer drängt Trumps Richter-Kandidaten in Defensive

Demo vor Kapitol
Vor dem Senats-Justizausschuss schilderte Christine Blasey Ford glaubhaft die angebliche Vergewaltigung durch Brett Kavanaugh.

Der Kulturkampf, bei dem es um die ideologische Machtverschiebung am Obersten Gericht der USA zugunsten erzkonservativer Verfassungs-Ausleger geht, ist auf dem Siedepunkt. Bei einer vorentscheidenden Anhörung im Senat kam es gestern in Washington zu dramatischen Gefühlsausbrüchen.

Teil eins: Dass Opfer sexueller Nötigung Taten noch nach vielen Jahren detailliert beschreiben, hat man häufig. Dass sie wissenschaftlich fundiert erklären können, wie und wo das Gehirn traumatische Erinnerungen unauslöschlich speichert (im Hippocampus) und dabei unwichtige Details ausfiltert, ist selten. 

Christine Blasey Ford (51) – der Frau, auf die ganz Amerika schaut, weil ihre Vorwürfe dem von Präsident Trump und den Republikanern ausgewählten Juristen Brett die Berufung an den Supreme Court verbauen könnten – ist das gelungen.

 

Angebliches Opfer drängt Trumps Richter-Kandidaten in Defensive

Ford

Klare, maßvolle Ford

Ohne erkennbare Ungereimtheiten berichtete die Psychologie-Professorin aus Kalifornien in einem stickigen Senats-Saal in Washington bei einer von Millionen live im Fernsehen mitverfolgten Anhörung, wie sie mit 15 von Brett Kavanaugh, damals 17, bei einer Party in Bethesda bei Washington fast vergewaltigt worden sei.

Als der zwischen parlamentarischer Fragestunde und Pseudo-Gerichtsverhandlung oszillierende Termin nach vier Stunden abgeschlossen war, sprach selbst der Trump-hörige TV-Kanal Fox News von „verheerenden“ Aussichten. Kavanaugh unbeschadet durch das Genehmigungsverfahren auf die oberste Richterbank zu schleusen, werde nur noch schwer möglich sein. Was an ihr lag.

Klar und maßvoll in Ton und Auftreten beschrieb Ford die von Kavanaugh „kategorisch“ abgestrittene Szene. Wie sie  aufs Bett geworfen und begrapscht wurde. Wie der sturzbetrunkene Kavanaugh ihr so heftig den Mund zuhielt, dass sie fürchtete, er könnte sie „aus Versehen umbringen“. Wie Kavanaugh und sein Kumpel Mark Judge sie – kurz bevor ihr die Flucht gelang – verhöhnten. „Das schallende Gelächter der beiden, und dass sie auf meine Kosten Spaß hatten“, das werde sie nie vergessen, sagte die zweifache Mutter, die seither unter Panikzuständen leidet und erst 2012 ihrem Mann davon erzählt hat. 

Dass es definitiv Brett Kavanaugh war und keine Verwechslung vorliegen könne, stehe „zu 100 Prozent fest“, beteuerte Ford. Sie sagte unter Eid aus und hatte zuvor einen Lügendetektor-Test bestanden. Seit sie mit ihren Fall der Washington Post erzählt hat, bekommt Fords Familie Morddrohungen. 
Dass sie sich trotzdem öffentlich stellt, erklärte sie mit „Bürgerpflicht“. Bereits vor der Nominierung Kavanaughs habe sie sich – ohne Erfolg – an Politiker und das Weiße Haus gewandt. Für sie ist ihr Peiniger von 1982 ungeeignet für den Supreme Court.

Angebliches Opfer drängt Trumps Richter-Kandidaten in Defensive

Kavanaugh

Versuche der Republikaner, die Glaubwürdigkeit von Ford zu erschüttern, „liefen ins Leere“, bilanzierten Rechtsexperten. Hauptgrund: Anstatt selber Fragen zu stellen, wie dies die Demokraten mit Empathie für Ford taten, heuerten die ausschließlich männlichen konservativen Senatoren eine Staatsanwältin an. Sie erging sich in Details, die kaum jemand nachvollziehen konnte.

Durch Fords Auftritt gewinnen Anschuldigungen von mindestens drei weiteren Frauen an Gewicht, sagen Analysten. Sie werfen Kavanaugh unter anderem die Teilnahme an Massenvergewaltigungen vor. 

Emotionaler Kavanaugh

Das krasse Kontrastprogramm zum Auftritt Fords setzte unmittelbar danach ein. Brett Kavanaugh – verletzt, wütend und emotional bis unter die Haarspitzen – sprach von einem „kalkulierten und orchestrierten“ Rufmord. Sein Bestätigungsverfahren sei eine „nationale Schande“, deren Konsequenzen das Land noch lange beschäftigen würden, rief der tiefgläubige Katholik mit beinahe hasserfüllter Miene; fast durchgängig schluchzend und den Tränen nahe. 

Den Demokraten warf er vor, „meine Familie und meinen guten Namen“ zerstört zu haben. Alle Anschuldigungen gegen ihn seien aus der Luft gegriffen, das FBI habe ihn über Jahre sechs Mal durchleuchtet. „Ich bin unschuldig.“ Kavanaugh donnerte in den Saal, dass er niemals aufgeben werde. 

Ob Präsident Trump ihn als Kandidat zurückzieht? Ab heute geht der Kulturkampf weiter.

Kavanaugh-Anhörung im US-Senat

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