Alternativ-Nobelpreis für weißrussische Demokratie-Bewegung
Die diesjährigen "Alternativen Nobelpreise" der Stockholmer Right-Livelihood-Stiftung gehen durchwegs an Menschen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Geehrt wurden der weißrussischer Oppositionsdenker Ales Bjaljazki und die von ihm gegründete NGO "Wjasna" (Frühling) sowie an die iranische Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh, der US-Bürgerrechtsanwalt Bryan Stevenson und die Indigenenaktivistin und Umweltschützerin Lottie Cunningham Wren aus Nicaragua.
Right-Livelihood-Direktor Ole von Uexküll sagte bei der Bekanntgabe der Preisträger, die diesjährige Auswahl werfe ein Schlaglicht auf die weltweite Bedrohung der Demokratie. Es sei "höchste Zeit, dass wir alle, die weltweit an die Demokratie glauben, aufstehen und einander unterstützen.
Bjaljazki: "Moralische Unterstützung"
Bjaljazki reagierte auf die Zuerkennung mit einem von der Right-Livelihood-Stiftung veröffentlichten Statement. Die Auszeichnung sei "eine moralische Unterstützung für alle Belarussinnen und Belarussen, die sich für einen demokratischen Wandel starkmachen." Er hoffe, dass die dadurch entstehende internationale Aufmerksamkeit, dazu beitragen werde, die Arbeit des Menschenrechtszentrums "Wjasna" noch wirkungsvoller und weniger gefährlich zu machen.
Während der pro-demokratischen Proteste im Fahrwasser der so offensichtlich manipulierten Präsidentschaftswahlen im August engagierte sich "Wjasna" für die Forderungen nach Versammlungsfreiheit, die Verteidigung der Rechte derjenigen, die wegen der Proteste verhaftet wurden, und die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen. Bjaljazki ist Mitglied des im April 2020 von Opposition und Zivilgesellschaft gegründeten Koordinierungsrates, welcher das Ziel eines friedlichen Machtübergangs im Land verfolgt. Bjaljazki gründete "Wjasna" im Jahr 1996 in Minsk. Seither ist die Organisation immer wieder Schikanen und Angriffen der Behörden ausgesetzt. Bjaljazki verbrachte selbst mehrere Jahre im Gefängnis.
Die iranische Anwältin und Unterstützerin von politisch Verfolgten, Nasrin Sotudeh, befindet sich derzeit wegen ihres hartnäckigen Widerstands gegen das repressive Rechtssystem im Iran im Gefängnis. Bryan Stevenson Bryan Stevenson ist ein führender US-Bürgerrechtsanwalt. Er setzt sich insbesondere für die Anfechtung des historisch gewachsenen Rassismus in den USA ein. Lottie Cunningham Wren aus der Volksgruppe der Miskito verteidigt die Rechte indigener Völker in Nicaragua auf ihr Land und ihre Ressourcen ebenfalls als Anwältin.
Die Right Livelihood Awards wurden 1979 von dem deutsch-schwedischen Briefmarkensammler Jakob von Uexküll ins Leben gerufen und 1980 erstmals vergeben. Mit den Preisen werden Menschen gewürdigt, die sich – teils unter Gefahr für Leib und Leben – für eine friedliche, gerechte und nachhaltige Welt für alle einsetzen. Unter den bisher Geehrten aus über 70 Ländern finden sich mit Leopold Kohr (1983), Robert Jungk (1986) und Erwin Kräutler (2010) auch drei Österreicher.
Kurzporträts der vier Geehrten
ALES BELJAZKI und sein Menschenrechtszentrum WESNA (Belarus): Die Lage in Belarus (Weißrussland) und die Proteste gegen den autoritären Machthaber Alexander Lukaschenko werden von der Welt seit Wochen genau verfolgt. Der 58-Jährige Beljazki hat sich schon viele Jahre vorher für die Demokratie und Freiheit in seinem Land eingesetzt, lange bevor die dortige Situation in diesem Sommer international in die Schlagzeilen geraten ist. Der Aktivist und das von ihm gegründete Zentrum Wesna sind so zu Leuchttürmen der Menschenrechte in einem Land geworden, das oft als „die letzte Diktatur Europas“ bezeichnet wird. Auch Verhaftungen und mehrere Jahre im Gefängnis hielten ihn nicht davon ab, weiter für seine Ideale einzustehen - auch und gerade während der Großproteste nach der umstrittenen Präsidentenwahl. Wesna ist zudem einer der wichtigsten Kanäle, der über die Festnahmen der Demonstranten berichtet.
NASRIN SOTUDEH: Zuletzt kämpfte die Iranerin vor Gericht unter anderem für Frauen, die aus Protest gegen die iranische Gesetzeslage in der Öffentlichkeit ihre Kopftücher abgenommen hatten. Diese Frauen sind bei Weitem nicht die einzigen, für die sich Sotudeh eingesetzt hat: Die in Teheran geborene Rechtsanwältin verteidigte bereits nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl 2009 während der Proteste gegen die Regierung eine Reihe von verhafteten Aktivisten, später vertrat sie die Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi. Außerdem ist ihr der Kampf gegen die Todesstrafe im Iran eine Herzensangelegenheit. All das hat die 57-Jährige mehrmals ins Gefängnis gebracht, dort sitzt sie auch heute: Im März 2019 war sie unter anderem wegen „Schürens von Korruption und Prostitution“ zu mehr als drei Jahrzehnten Haft und fast 150 Peitschenhieben verurteilt worden. Auch ihre Familie berichtet von Festnahmen und schwerwiegenden Übergriffen.
BRYAN STEVENSON: Immer wiederkehrende Fälle übermäßiger Polizeigewalt und die Bürgerrechtsbewegung Black Lives Matter haben die Rassismusdebatte in den USA in diesem Sommer abermals hochkochen lassen. Für Bryan Stevenson ist das Thema alles andere als neu: Der 60-Jährige zählt zu den führenden Bürgerrechtsanwälten seines Landes, oberstes Ziel seines Schaffens ist seit langem die Reform der US-Strafjustiz, die übermäßig viele Schwarze und Arme ins Gefängnis bringt. Der in Harvard ausgebildete Jurist will eines Tages sehen, dass alle US-Bürger unabhängig von der Hautfarbe die gleichen Rechte genießen. Grundlage seines Kampfes ist der Ausgangspunkt, dass Justiz und Gesellschaft vor dem Hintergrund der Geschichte der Sklaverei und weißer Überlegenheitsgesinnungen weiter von systematischem Rassismus durchdrungen seien.
LOTTIE CUNNINGHAM WREN: Die 61 Jahre alte nicaraguanische Rechtsanwältin gehört dem indigenen Volk der Miskito an, das vor allem an der Karibikküste im nicaraguanischen Grenzgebiet zu Honduras lebt. Vor diesem Hintergrund kämpft Cunningham trotz regelmäßiger Einschüchterungsversuche dafür, dass Indigene in Nicaragua ihr Land und die damit verbundenen Ressourcen behalten dürfen und besser vor Ausbeutung geschützt sind. Dabei ist es ihr unter Zuhilfenahme nationaler und internationaler Gesetze gelungen, dass es mittlerweile Landrechte für indigenen Boden in ihrem Heimatland gibt - ein Fortschritt, der auch indigenen Gemeinschaften in anderen Ländern bei ihrem rechtlichen Streit für den Schutz ihres Lebensraums nützt. Das hilft letztlich auch der Umwelt, da der Schutz indigenen Landes auch bedeutend für die entsprechenden Ökosysteme ist.
In den vergangenen Jahren gingen immer wieder Preise der Stiftung an international bekannte und kontroversielle Personen wie Edward Snowden oder Greta Thunberg. Zwei Preisträger, die kenianische Umweltaktivistin Wangari Maathai und der kongolesische Arzt Denis Mukwege, erhielten später auch den Friedensnobelpreis.
Die vier von einer internationalen Jury ausgewählten Preisträger erhalten jeweils ein Preisgeld von einer Million Schwedenkronen (94.928,00 Euro). Jede Einzelperson kann Menschen und Organisationen für einen Award vorschlagen. Die Verleihung der diesjährigen Preise wird Covid-bedingt voraussichtlich im Rahmen einer virtuellen Zeremonie am 3. Dezember 2020 stattfinden.
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