Alt-Kanzler Vranitzky: "Geeintes Europa existiert in der Idealform nicht"

Alt-Kanzler Vranitzky: "Geeintes Europa existiert in der Idealform nicht"
Franz Vranitzky (SPÖ) pochte in der ZiB2 auf Einheit in Europa. Sanktionen bezeichnete er als "schwierige strukturelle Einschnitte" für den Westen.

"Wir stehen vor einem vollkommen neuen Szenario in Europa und wahrscheinlich der Welt", erklärte SPÖ-Alt-Kanzler Franz Vranitzky Samstagabend in einer ZiB2-Spezial zum Krieg in der Ukraine. Daraus "haben wir die Konsequenzen zu ziehen". Gemeint sei, dass die Europäer sich insofern besinnen müssten, eine "Neuordnung anzudenken und durchzuführen". Dabei sei ein geeintes Europa wichtig. Aber: "Das geeinte Europa existiert in der Idealform nicht."

"Kein Spaziergang"

Was die Sanktionen des Westens gegen Russland angeht, müsse man damit rechnen, dass sie "auf unsere Systeme" rückwirken. "Das ist kein Spaziergang, sondern sind ganz schwierige strukturelle Einschnitte."

Im Hinblick auf die Vergangenheit in Österreich merkte er an, dass der "Generalsprech" gewesen sei, dass nicht so viel Geld in das Bundesheer gesteckt werden solle. Er wolle zwar keine österreichische Armee aufstellen, die gegen Russland ins Feld ziehe - aber eine bewaffnete Einheit. Hier werde immer die Neutralität ins Spiel gebracht, so der Alt-Kanzler. "Wir können uns aber auch als neutraler Staat an gemeinsamen Sicherheitsaktivitäten beteiligen." Er habe etwa nie verstanden, warum das Bundesheer "vom Golan weggegangen" sei. Er denke an eine wehrhafte europäische Armee.

Hoffnung in Hinblick auf Schröder

Auf die Frage, ob die Beziehungen Österreichs zu Russland und Putin - Stichwort Hochzeitstanz der ehemaligen Außenministerin Karin Kneissl mit Putin - zu nahe gewesen sein, antwortete Vranitzky: Er habe "Vorbehalte gegen die Teilnehmer an der Diskussion", die jetzt unter dem Eindruck der aktuellen Geschehnisse erkären, "dass sie eh immer alles gewusst haben".

Was den deutschen SPD-Altkanzler Gerhard Schröder angeht, der enge Wirtschaftsbeziehungen mit Russland pflegt, erklärte Vranitzky: "Ich habe die leise Hoffnung", dass Schröder niemand zu raten habe, dass er die Geschäftsbeziehungen beenden solle. "Sondern er wird es von selber tun." Nachsatz: "Wenn er es nicht tut, habe ich mich geirrt." Schröder ist unter anderem Aufsichtsratsvorsitzender beim staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft.

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