Aleppo: Assad-Truppen rücken vor, 180 Tote seit Anfang der Woche
US-Außenminister John Kerry hat von Syrien ein sofortiges Ende der Luftangriffe auf die Stadt Aleppo verlangt. "Was in Aleppo passiert, ist inakzeptabel. Das sprengt alle Dimensionen", sagte Kerry am Samstag bei einem Treffen mit vier europäischen Außenministern in seiner Heimatstadt Boston.
Zugleich rief er Russland auf, seinen Einfluss auf Syriens Machthaber Bashar al-Assad geltend zu machen, damit die Angriffe gestoppt werden. "Russland muss ein Exempel statuieren und keinen Präzedenzfall schaffen, der für die ganze Welt nicht hinnehmbar ist", sagte Kerry.
Bei dem Treffen mit den Außenministern Deutschlands, Großbritannien, Frankreich und Italien sollte es auch um die Beziehungen zwischen Europa und den USA gehen. Der 72-jährige Kerry wird nach der US-Präsidentenwahl im November in einer neuen Regierung aller Voraussicht nach nicht mehr dabei sein - unabhängig vom Ausgang der Wahlen.
Geländegewinne der Regierungstruppen
Unterdessen haben syrische Regierungstruppen bei ihrer Großoffensive gegen Aleppo erste Geländegewinne erzielt. Am Samstag nahm die Armee mit der Unterstützung von Milizen das Lager Handarat im Norden der Metropole ein, wie beide Seiten mitteilten. Zuvor hatten Kampfflugzeuge erneut schwere Angriffe auf den von Rebellen gehaltenen Ostteil der Stadt geflogen.
Aufständischen zufolge waren vor allem russische Jets im Einsatz. Nach Informationen von Helfern und der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden seit Freitag Dutzende Menschen getötet. Allein am Samstag seien bis Mittag 25 Todesopfer registriert worden, teilte die Beobachtungsstelle mit. Seit Ende der Waffenruhe sind mehr als 180 Menschen getötet worden. Unter den Opfern seien auch 26 Kinder, teilte die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Samstag auf Anfrage der dpa mit.
"Handarat ist gefallen", sagte ein Vertreter der größten Rebellengruppen in Aleppo der Nachrichtenagentur Reuters. In einer Erklärung der Armee hieß es, bei der Einnahme seien "viele Terroristen" getötet worden. Das Palästinenser-Lager war seit Jahren in der Hand der Rebellen.
Syrien hatte die Offensive am Donnerstag ausgerufen. Der regierungstreue Kommandant einer irakischen Miliz sagte Reuters, Ziel sei es, ganz Aleppo innerhalb einer Woche einzunehmen. Die Offensive hatte in der Nacht zum Freitag mit einem schweren Bombardement begonnen, das auch am Samstag fortgesetzt wurde. "Die Angriffe sind heftig und dauern an", sagte der Direktor der Beobachtungsstelle, Rami Abdulrahman.
Großflächige Zerstörungen
Im Osten Aleppos wohnen immer noch mehr als 250.000 Menschen. Einwohnern zufolge werden jetzt Waffen eingesetzt, die größere Zerstörungen anrichten als bisher. Viele Gebäude seien vollständig dem Erdboden gleichgemacht worden. Bilder von Einschlägen zeigen Krater, die mehrere Meter tief sind. "Die meisten Opfer liegen noch unter Trümmern begraben, weil mehr als die Hälfte des Zivilschutzes außer Gefecht gesetzt wurde", sagte ein Rebellensprecher. Der Chef der sogenannten Weißhelme, Ammar al-Selmo, sagte Reuters: "Unsere Teams versuchen zu helfen, aber es sind nicht genug, um auf eine Katastrophe solchen Ausmaßes angemessen zu reagieren."
Am Freitag waren durch Luftangriffe drei von vier Zentren des Zivilschutzes zerstört oder schwer beschädigt worden. Über 100 Menschen seien seit Beginn der neuen Luftangriffe am Freitag getötet worden, sagte Al-Selmo. Die syrische Armee gibt an, nur Rebellenziele ins Visier zu nehmen und keine zivilen Ziele. In syrischen Militärkreisen hieß es, der Einsatz verlaufe nach Plan. Es würden Präzisionswaffen eingesetzt, um Ziele wie Tunnels, Bunker und Kommandozentralen der Rebellen zu zerstören.
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