Albanien feiert sein hundertjähriges Bestehen

Albanien feiert sein hundertjähriges Bestehen
Mühsam, aber mit unübersehbaren Erfolgen kämpft sich Albanien aus der Dauerkrise.

Mühsam, aber mit unübersehbaren Erfolgen kämpft sich Albanien aus der Dauerkrise. Keti Bazhdari blieb nur der Weg zum illegalen Kredithai. Banken wollten der damals 22-jährigen Wirtschaftsstudentin die gewünschten 25.000 Dollar nicht leihen. Zu verwegen schien der Plan der jungen Albanerin, mit nichts als einem selbst ausgetüftelten Business-Plan in der Tasche in ihrer Heimatstadt Skhodra eine Textilfabrik hochzuziehen. Doch ein „Geht-nicht“ gibt es nicht in der Welt der robusten jungen Frau und so nahm sie einen Kredit zu halsbrecherischen Konditionen. „Mit der Option“, wie sie heute lächelnd zurückblickt, „dass ich vor den Kreditein-treibern ins Ausland hätte flüchten müssen, wenn ich nicht hätte zurückzahlen können.“

Sie konnte. Rackerte Tag und Nacht, nahm zum ersten Mal in ihrem Leben selbst eine Nadel in die Hand, lieferte monatelang auf dem Fahrrad die ersten Produkte aus. Heute, zehn Jahre später, ist die 32-Jährige zu einer der erfolgreichsten Unternehmerinnen Albaniens aufgestiegen. 350 Beschäftigte arbeiten in Bazhdaris Fabrik, ihre Firma „Bella Confex“ ist der größte Arbeitgeber im Textilsektor in der Region. 95 Prozent der hier produzierten Unterwäsche gehen zum Export nach Italien.

Nur am Mittwoch stehen auch die Nähmaschinen in ihrer Fabrik still. Jedes Dorf, jede Stadt, das ganze, 2,8 Millionen Einwohner zählende Balkanland feiert sein hundertjähriges Bestehen. Auch Österreichs Außenminister Michael Spindelegger hat sich zu den Feierlichkeiten in der Hauptstadt Tirana angesagt – und erinnert damit auch daran, dass Wien die Gründung des albanischen Staates im Jahr 1912 maßgeblich forciert hatte. Nicht ohne Eigennutz: Das damalige Österreich-Ungarn wollte mit einem selbstständigen Albanien ein Gegengewicht zum wachsenden serbischen, und damit auch russischen Einfluss auf dem Balkan setzen.

Wilde Jahre

Gefeiert wird heute mit großem Pomp, doch zurück blicken die wenigsten Albaner gern. Jahrzehnten der kommunistischen Diktatur folgten Anarchie und Chaos, erst seit wenigen Jahren kommt der Adriastaat an der Peripherie Europas langsam zur Ruhe. An den tief zerstrittenen, teils schwer korrupten Lagern der politischen Parteien vorbei, nimmt sein Schicksal lieber selbst in die Hand, wer dazu die Möglichkeit hat. Rund um die Hauptstadt Tirana schießen Häuser, Hotels, Tankstellen und Betriebshallen – wenn auch viele von ihnen ohne Genehmigung – aus dem Boden. In der mittlerweile zur Betonwüste verkommenen Küstenstadt Durres reiht sich Apartmentblock an Apartmentblock, aus den Restaurants dröhnt auch an kühlen November-abenden der Sound ohrenbetäubender Bässe bis in die Morgenstunden.

Auf dem Papier

Die besten Gesetze, Ordnungssysteme – es gibt sie, auch mit der Hilfe und auf Druck der EU hin, mittlerweile alle in Albanien. Allein, „sie werden kaum durchgesetzt“, schildert die Italienerin Luisa Rizzo, die für die EU in Tirana tätig ist. „Das Justizsystem funktioniert nicht. Es lohnt sich gar nicht, vor Gericht zu gehen.“ Und dies sei nur einer der Gründe, so Rizzo, warum es noch „viele, viele Jahre dauern wird, bis Albanien eines Tages EU-Mitglied werden kann“.

Den Kandidatenstatus hofft Albanien allerdings noch im Lauf des nächsten Jahres zu erhalten. Dies wäre ein enormer wirtschaftlicher Anstoß für das Land, das mit einem BIP-pro-Kopf und Jahr von rund 3000 Euro weiterhin zu den allerärmsten Europas zählt.

„Was bei uns fehlt, ist ein Plan, wie die Regierung die Wirtschaft, und dabei vor allem Produktion im Land unterstützen kann“, sinniert Unternehmerin Keti Bazhdari. Sie selbst hat nicht gewartet und ein eigenes Modelabel für Männer- und Frauen-Unterwäsche entwickelt. „Wir haben das erste albanische Markenlabel im Textilbereich. Das ist gut für mich – aber schlecht für Albanien.“

Wenn Sabahet Vidaj in Shkodra den Wasserhahn aufdreht, genießt sie einen Luxus, von dem andere albanische Städte nur träumen können: Trinkwasser, rund um die Uhr. Im Rest des Landes, erzählt die Direktorin des lokalen Wasserwerks, „fließt das Wasser im Durchschnitt nur elf Stunden pro Tag“. Auch in ihrer nordalbanischen Heimatstadt war das früher nicht anders. Wer das Glück hatte, über die verrosteten Leitungen der 110.000 Einwohner zählenden Stadt überhaupt Wasser zu bekommen, trank es besser nicht.

Dass heute wieder Wasser fließt, hat Shkodra vor allem der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) zu verdanken. In einem beinahe zwei Jahrzehnte dauernden Kraftakt wurde die gesamte Wasserversorgung der Stadt von Grund auf erneuert. Vom Austausch der alten Wasserrohre über die Erneuerung von Pumpen, Reservoirs und Kanalisation bis zur Schulung von Experten flossen insgesamt zehn Millionen Euro aus Österreich in das Großprojekt.

Wasserzähler

Nächstes ehrgeiziges Ziel: 15.000 Wasserzähler sollen angebracht werden, damit gelingt, woran es derzeit noch arg mangelt: Das konsumierte Wasser muss auch bezahlt werden – was derzeit nur knapp etwas mehr als die Hälfte der Bewohner Shkodras tut.

Seit genau zwanzig Jahren ist die Austrian Development Agency (ADA), die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, im Norden Albaniens aktiv. Die Sanierung des vernachlässigten Wassersektors war eines ihrer Mammutprojekte. „Wir haben in Wasser investiert, weil Wasser so essenziell für das ganze Leben ist“, schildert Astrid Wein, Leiterin des ADA-Büros in Albanien.

Gute Beziehungen wurden aufgebaut, die letztlich auch als Türöffner für die österreichische Wirtschaft dienten: Verbund und EVN eröffneten im September nahe Shkodra das Wasserkraftwerk Ashta, das alle Stückerln der modernsten Technik spielt. Selbst ein Fischaufstieg – ein Novum in Albanien – wurde eingebaut.

Für das kleine Balkanland war die 200-Millionen-Euro-Investition das größte Wasserkraftwerksprojekt seit 30 Jahren. Weitere Wasserkraftwerksprojekte mit österreichischer Beteiligung sind in Planung.

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