Albanien: Ein Künstler an der Staatsspitze

Der unkonventionelle Premier Rama, der sein Land in die EU führen will, ist auch ein anerkannter Maler.

Zu einem Balkan-Gipfel in Brüssel kam er einmal im bedruckten T-Shirt, in Pluderhose und Sportschuhen. Für ein Gespräch mit österreichischen Journalisten vor zwei Wochen in Tirana wählte er eine schlabbernde Jogginghose, gleichsam als Gegenentwurf zu weißem, offenem Hemd und Sakko. Edi Rama, der Premier Albaniens, ist unkonventionell, ein Nonkonformist, eine schillernde Figur mit unbestreitbarem Charisma, aber auch übergroßem Ego.

Und der 53-Jährige ist zudem ein international anerkannter Künstler. Seine farbenfrohen Zeichnungen wurden schon in New York, São Paolo oder Venedig ausgestellt, ab Ende Juni sind sie auch in Eisenstadt zu sehen (siehe Artikel-Ende). „Écriture automatique“ (automatisches Zeichnen) werden jene Gebilde genannt, die Rama während Sitzungen und Telefonaten auf Kalenderblätter, eMails oder Briefe bannt.

Wuchtige Striche und Politik

„Ich kann nicht anders. Ich muss zeichnen. Jeden Tag“, sagt der Kunstsinnige. Sein Gesamt-Opus schätzt er auf „Tausende“ Blätter – gleichsam das visuelle Tagebuch des politischen und persönlichen Alltags.

Und der ist bunt – genauso wie die albanische Hauptstadt Tirana jetzt daherkommt, in der der Sozialist zwischen 2000 und 2011 Bürgermeister war. In seiner Amtszeit verwandelte sie sich von einem grauen Mäuschen zu einer vitalen Kapitale mit farbigem Anstrich der Marke Rama. Eine Entwicklung, die auch im Oeuvre des Künstlers sichtbar ist. Denn anfangs hielt er seine schwungvollen „Telefonprotokolle“ in Schwarz-Weiß.

Autodidakt ist der Zwei-Meter-Riese, der es in den 1980ern sogar ins albanische Basketball-Nationalteam schaffte, freilich nicht. Zur Zeit des Sturzes der kommunistischen Diktatur (1990) war er Lektor an der Akademie der Künste, an der er zum Maler ausgebildet worden war. Später ging er nach Paris, wo er an diversen Ausstellungen teilnahm.

Ebenso wuchtig, wie Ramas Bildsprache bisweilen ist, agiert er auf dem Feld der Politik, in dem er seit 2013 als Regierungschef das Sagen hat. Gegner, auch parteiinterne, werden abgesägt, Koalitionen, zur Not dubiose, geschmiedet. So werfen ihm Kritiker vor, sich mit Oligarchen ins Bett gelegt zu haben, um über Geld für Stimmenkäufe zu verfügen. Bestimmt, aber übertüncht mit Charme und Witz wischt Rama solche Vorhaltungen vom Tisch.

„Sonne geht im Westen auf“

Innenpolitische Grabenkämpfe lässt er zwar nicht aus, denkt aber auch über die Grenzen seiner Heimat hinaus. Und damit sind nicht seine großalbanischen Avancen gemeint, die er immer wieder einfließen lässt und dann gleich als Missinterpretation bezeichnet, sondern die Schritte in Richtung EU-Beitritt. Beim Gipfel Ende Juni sollte es grünes Licht für den Beginn des Verhandlungsprozesses geben, doch jetzt scheint es so, als bliebe die Ampel für Albanien auf rot. Doch der „rote Edi“ will weiter kämpfen, zumal es keinen Alternative zum EU-Beitritt gebe: „Für uns“, formuliert er so pointiert, wie er zeichnet, „ geht die Sonne im Westen auf.“

Die Ausstellung „Edi Rama. Fantastische Notizen von Albaniens Ministerpräsident“ ist vom 27. Juni bis 23. Dezember 2018 in der Landesgalerie Burgenland, Eisenstadt, Franz-Schubert-Platz 6, zu sehen.

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