Spionage-Drehscheibe Wien: Suche nach Führungsoffizier
Für den amerikanischen Außenminister John Kerry ist Wien seit Samstag der Boden, auf dem er mit allem Einsatz versucht, den Iran zu Zugeständnissen zu bewegen. Für Außenminister Sebastian Kurz und seinen deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier war Wien der Boden, um mit Kerry auch über die US-Spionage in Deutschland zu sprechen. Denn die Führungsperson jenes Mannes, der in Deutschland für die CIA spionierte, saß bzw. sitzt laut Spiegel-Bericht nach seinen Aussagen in der US-Botschaft in Wien – die Übergabe des Materials fand stets in Salzburg statt.
Kerry befindet sich in Wien auf "heißem Boden", wie die Nachrichtenagentur dpa kommentierte. Denn Wien "gilt weltweit als eines der Zentren der Geheimdienste". Laut österreichischem Verfassungsschutzbericht sind hier "klassische Spione mit großem Engagement für ihr Heimatland nach wie vor in einer überdurchschnittlichen Zahl im Einsatz".
"Wir werden die USA um Antworten bitten", hieß es aus der Umgebung des österreichischen Außenministers vor einem anvisierten Treffen mit John Kerry, bei dem auch die Bereitschaft Wiens deponiert werden sollte, weiter Gastgeber für die Atomverhandlungen zu sein. Gleichzeitig sei in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium und den deutschen Behörden über den Spiegel-Bericht hinaus zu eruieren, um welche Personen in der US-Botschaft es sich handle, ob sie überhaupt noch in Wien tätig seien oder nicht, und ob neben der angeblichen "Führung" des in Deutschland aufgeflogenen Spions durch die US-Botschaft in Wien auch für Österreich Schaden entstanden sei. Nur dann könne Österreich offiziell tätig werden.
Gefährdung
Eine Verbindungsaufnahme des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) mit den deutschen Sicherheitsbehörden habe bereits stattgefunden, erklärt dazu Karl-Heinz Grundböck vom Innenministerium. Jetzt gelte es, die deutschen Untersuchungsergebnisse in Erfahrung zu bringen und eine Gefährdungseinschätzung für Österreich zu erstellen. Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass die mutmaßlichen US-Agenten auch Ziele in Österreich im Visier hatten. Sollte sich aber im Zuge der Gefährdungseinschätzung herausstellen, dass die Verdächtigen auch gegen Österreich spioniert haben, könnten offizielle Ermittlungen eingeleitet werden.
Aber selbst für den Fall, dass kein strafrechtlich relevantes Ergebnis herauskommt, hätte Österreich quasi aus Solidarität mit Deutschland die Möglichkeit, unbotmäßige Diplomaten des Landes zu verweisen. Das wäre bei den Amerikanern der erste Fall nach Unterzeichnung des Staatsvertrages 1955. Bei nachrichtendienstlichen "Betriebsunfällen", etwa einer aufgeflogenen Lauschaktion gegen den nordkoreanischen IAEO-Vertreter in Wien, haben die USA ihre Agenten bisher freiwillig zurückgezogen.
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