Taliban wollen Evakuierungsflüge nur bis zum 31. August zulassen
Am Flughafen von Kabul hat es laut Angaben der deutschen Bundeswehr Montag früh ein Feuergefecht zwischen afghanischen Sicherheitskräften und unbekannten Angreifern gegeben.
Dabei sei eine afghanische Sicherheitskraft getötet und drei weitere verletzt worden, meldete die Bundeswehr im Onlinedienst Twitter. Im weiteren Verlauf des Gefechts seien auch US- und deutsche Soldaten beteiligt gewesen.
Der Kabuler Flughafen wird seit der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban vor einer Woche von ausländischen Soldaten gesichert. Vor den Toren des Flughafens drängen sich seit Tagen tausende verzweifelte Menschen, die auf einen Platz in einem Evakuierungsflieger hoffen.
Am Samstag wurden die Tore deshalb zeitweise ganz geschlossen. Daraufhin kam es zu Panik und Gedränge, mehrere Menschen kamen dabei ums Leben. Auch die Evakuierungsflüge gerieten zeitweise ins Stocken.
Mindestens 20 Menschen kamen bisher am Flughafen ums Leben. Nach dem Feuergefecht am Flughafen sind mindestens sechs Verletzte mit Schusswunden ins Krankenhaus gekommen.
Deadline ist der 31. August
Die USA wollen den Flughafen bis 31. August sichern. Ein Sprecher der Taliban in der katarischen Hauptstadt Doha sagte dem Sender Sky News, eine Verlängerung der Frist käme einer Verlängerung der militärischen Besatzung seines Landes gleich. Das sei weder notwendig noch werde man sich darauf einlassen.
Sollten sich die USA dazu entscheiden, werde das Konsequenzen haben, so der Sprecher weiter. „Würden die USA oder Großbritannien zusätzliche Zeit erbeten, um die Evakuierungen fortzusetzen, wäre die Antwort ein Nein“, sagte Suhail Shahin, ein Mitglied der Taliban-Delegation in Doha. Die für den 31. August festgesetzte Frist sei eine „Rote Linie“, so der Shahin weiter.
Unbegründete Ängste
Den großen Andrang am Flughafen in Kabul erklärte Shahin mit dem Wunsch vieler Menschen, der Armut in Afghanistan zu entfliehen. Ängste vor Unterdrückung durch die Taliban würden als Vorwand genutzt und seien unbegründet. Berichte über Vergeltungsaktionen von Taliban-Kämpfern an Journalisten, ehemaligen Regierungsmitarbeitern und anderen vermeintlichen Kollaborateuren bezeichnete er als „Fake“. Jeder Vorfall werde untersucht. Wer sich schuldig mache, werde zur Verantwortung gezogen.
Iran liefert Treibstoff an Taliban
Auf Bestellung der Taliban exportiert der Iran nach Angaben einer dortigen Industrievereinigung Erdölprodukte nach Afghanistan. Die Taliban hätten den Iran benachrichtigt, dass die Lieferungen wieder möglich seien, erklärt der iranische Verband der Exporteure von Öl-, Gas- und Petrochemie-Produkten. Wegen Sicherheitsbedenken hätten einige Händler ihr Geschäft mit dem Nachbarland zuvor eingestellt.
Seit ein paar Tagen laufe der Export aber wieder. Die Taliban haben Zölle auf Treibstoff aus dem Iran kräftig gesenkt. Nach der Machtübernahme der sunnitischen Extremisten in Afghanistan waren die Treibstoffpreise in die Höhe geschossen.
Russland fürchtet Bürgerkrieg
Russland sieht die Gefahr eines Bürgerkriegs in Afghanistan - und hat erklärt, sich nicht einmischen zu wollen. Potenziell bestehe das „Risiko eines erneuten Bürgerkriegs in Afghanistan“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag laut Agentur Interfax. „Natürlich hat niemand vor, sich in diese Ereignisse einzumischen“, sagte Peskow auf die Frage nach einer möglichen russischen Intervention. Die aktuelle Situation berge aber „eine zusätzliche Gefahr und Bedrohungen“.
Russland beobachtet den Siegeszug der militant-islamistischen Taliban in Afghanistan mit Sorge. Befürchtet wird unter anderem, dass Kämpfer in Zentralasien in ehemals sowjetisches Gebiet eindringen könnten. Moskau führt seit langem Verhandlungen mit den Taliban.
Topjournalist verlässt das Land
Einer von Afghanistans bekanntesten Journalisten, Bilal Sarwari, hat nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban das Land verlassen. In einem auf Twitter veröffentlichten Video sagte Sarwari unmittelbar vor seinem Abflug, er und seine Familie hätten nur wenige Sachen mitnehmen können. „Ich habe alles zurückgelassen, wofür ich seit mehr als 20 Jahren gearbeitet habe. Das ist niederschmetternd - vorsichtig formuliert.“ Offen war zunächst, wo der zuhause ausgezeichnet vernetzte Journalist künftig leben will.
Sarwari sagte weiter, er habe sich nie vorstellen können, seine Heimat zu verlassen. Nun sei die Situation jedoch „außer Kontrolle“. Viele Menschen müssten ihre Hoffnungen, Träume und Lebenspläne begraben. Es breche ihm das Herz zu sehen, wie viele gut ausgebildete Menschen ins Ausland müssten. Sarwari sagte weiter, er habe sich nie vorstellen können, seine Heimat zu verlassen. Nun sei die Situation jedoch „außer Kontrolle“. Viele Menschen müssten ihre Hoffnungen, Träume und Lebenspläne begraben. Es breche ihm das Herz zu sehen, wie viele gut ausgebildete Menschen ins Ausland müssten.
Biden: Sicherheitszone erweitert
Die USA haben nach Angaben von Präsident Joe Biden die Sicherheitszone um den Flughafen von Kabul vergrößert. Die Taliban hätten sich dabei kooperativ gezeigt, sagt Biden am Sonntag. Die US-Regierung sei außerdem im Gespräch mit dem Militär über eine mögliche Verlängerung der Evakuierungsmission aus Afghanistan über das Monatsende hinaus.
"Es gibt Diskussionen zwischen uns und dem Militär über eine Verlängerung", sagte Biden im Weißen Haus. "Wir hoffen, dass wir nicht verlängern müssen." Der Präsident sagte auf eine entsprechende Frage, sollten andere G7-Staaten um eine längere Präsenz der US-Truppen am Kabuler Flughafen bitten, werde er antworten, "dass wir sehen werden, was wir tun können". Die Staats- und Regierungschefs sieben wichtiger Industriestaaten kommen am Dienstag zu einem Online-Sondergipfel zu Afghanistan zusammen.
Gefahr von Anschlägen
Wie zuvor sein Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan warnte auch Biden vor der Gefahr von Terroranschlägen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) am Flughafen in Kabul. "Wir wissen, dass Terroristen versuchen könnten, die Situation auszunutzen und unschuldige Afghanen oder amerikanische Truppen anzugreifen", sagte er. Als "wahrscheinliche Quelle" eines solchen Angriffs nannte er den regionalen Ableger des IS. Mit jedem Tag der Präsenz seien die US-Truppen und unschuldige Zivilisten am Flughafen dem Risiko eines Anschlags der Terrormiliz ausgesetzt. Die Taliban, die in Afghanistan wieder die Macht übernommen haben, und der IS sind verfeindet.
Biden sagte, seit dem Beginn der US-Evakuierungsmission am 14. August hätten US-Streitkräfte und ihre Koalitionspartner fast 28 000 Menschen aus Kabul ausgeflogen. Innerhalb von 36 Stunden seien zuletzt rund 11 000 Menschen über die Luftbrücke in Sicherheit gebracht worden. Der Präsident warnte aber: "Wir haben noch einen langen Weg vor uns, und es kann noch viel schiefgehen." Die Szenen am Flughafen nannte Biden "herzzerreißend". Er betonte zugleich, die Evakuierung von Tausenden Menschen aus Kabul wäre immer "hart und schmerzvoll" verlaufen, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Beginnes. Bidens Regierung wird vorgeworfen, zu spät damit begonnen zu haben.
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