Trumps Afghanistan-Strategie: "Wir werden angreifen"
Die radikalislamischen Taliban haben als Reaktion auf die neue Afghanistan-Strategie von US-Präsident Donald Trump angekündigt, einen "heiligen Krieg bis zum letzten Atemzug" führen zu wollen. Trump hatte in der Nacht auf Dienstag in einer Ansprache an die Nation eine Verstärkung des US-Engagements in Afghanistan in Aussicht gestellt.
Taliban-Sprecher Zabiullah Mujahid (Sabiullah Mudschahid) schrieb in einem Email an Medien, solange auch nur ein US-Soldat im Land sei, würden die Taliban ihren "Dschihad mit Entschlossenheit" fortsetzen. "Wir werden ihnen (den Soldaten) Angst machen und ihrer Regierung die Realitäten in diesem Land zeigen." Die Taliban seien nicht kampfesmüde. Sollten die USA nicht abziehen, werde Afghanistan zu ihrem "Friedhof" werden.
"Wir werden angreifen"
Die USA hatten ihre Einsatzstrategie in Afghanistan zuvor neu geordnet. Der Kampf gegen Terroristen von Al-Kaida und die Terrormiliz "Islamischer Staat" soll verschärft, eine Übernahme des Landes durch die Taliban aktiv verhindert werden, sagte US-Präsident Trump in Arlington bei Washington.
Wie US-Verteidigungsminister James Mattis kurz nach der Ansprache Trumps auf dem Militärstützpunkt Fort Myer in der Nähe von Washington wissen ließ, seien die USA zu einer Truppenaufstockung in Afghanistan bereit. Mehrere Verbündete seien "ebenfalls bereit", die Zahl ihrer Soldaten zu erhöhen. Trump vermied es, über eine Aufstockung der Zahl der bisher 8.400 US-Soldaten am Hindukusch zu sprechen. Zuvor war in Medienberichten davon die Rede, die Zahl werde auf Vorschlag des Pentagon um 4.000 erhöht.
"Unsere Feinde müssen unsere Pläne nicht kennen. Ich sage nicht, dass wir angreifen werden, aber wir werden", sagte Trump. (Das vollständige Transkript finden Sie hier)
Politische Einigung mit Taliban
Offen zeigte sich der US-Präsident für eine mögliche politische Einigung mit den radikalislamischen Taliban. "Irgendwann, nach einem erfolgreichen Militäreinsatz, wird vielleicht eine politische Einigung möglich sein, die auch Elemente der Taliban in Afghanistan einschließt", so Trump. Niemand könne jedoch sagen, "wann oder ob das jemals geschehen wird".
Zu Beginn seines Amtsantritts habe er selbst den Instinkt gehabt, die Truppen abzuziehen, betonte Trump. Seine Berater hätten ihn aber überzeugt, dass ein schneller Truppenabzug aus Afghanistan negative Folgen haben könne - so wie sich das auch bereits im Irak ereignet habe. "Die Konsequenzen eines schnellen Rückzuges wären sowohl vorhersehbar als auch unakzeptabel."
Mehr Freiheiten für US-Truppen
Stattdessen solle es nun keine zeitlichen Vorgaben mehr für die Operation am Hindukusch geben. Die Militäraktion soll stärker von politischen und diplomatischen Bemühungen flankiert werden. Dazu gehöre etwa das Austrocknen von Terrornestern im Nachbarland Pakistan, wo es noch immer Rückzugsgebiete gebe. Außerdem soll Indien stärker mit wirtschaftlicher Hilfe eingebunden werden. Dies wird als klare Drohung in Richtung Pakistan verstanden. Beide Atommächte gelten als Erzfeinde.
Die US-Truppen in Afghanistan erhielten künftig größere Freiheiten, um Terroristen und international agierende kriminelle Netzwerke ins Visier zu nehmen. "Diese Mörder müssen wissen, dass es für sie kein Versteck gibt", sagte Trump. Kriege würden nicht durch "Mikromanagement in Washington" gewonnen, sondern auf dem Schlachtfeld.
Kehrtwende von Trump
Die USA würden sich jedenfalls nicht mehr daran beteiligen, ein fremdes Land nach ihrem Modell zu verändern. "Am Ende ist es am afghanischen Volk, seine Zukunft in die Hand zu nehmen, seine Gesellschaft zu regieren, und einen unbefristeten Frieden zu erzielen", so der Republikaner.
Eine Truppenaufstockung ist ein politisches Spiel mit dem Feuer für Trump. Er hatte als Privatmann stets einen Rückzug aus Afghanistan gefordert und schon den Start der Operation durch den damaligen US-Präsidenten Georges W. Bush als großen Fehler bezeichnet. Trump war im Wahlkampf stets als Politiker aufgetreten, der sich gegen militärische Intervention einsetzt. Am Freitag war mit Stephen Bannon der größte Gegner von Militärmissionen in der Regierung Trump zurückgetreten. Am gleichen Tag hatte Trump mit den Generälen in seinem Kabinett die Optionen für Afghanistan diskutiert.
NATO-Generalsekretär begrüßt Trumps Bekenntnis zu Afghanistan-Einsatz
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat das Bekenntnis von US-Präsident Donald Trump zum Kampf gegen die radikal-islamischen Taliban in Afghanistan begrüßt. Das Bündnis stehe weiter uneingeschränkt zu dem Land, kommentierte Stoltenberg am Dienstag.
Es bleibe das Ziel der NATO, dass Afghanistan nie wieder ein sicherer Rückzugsort für Terroristen werde, die Alliierte oder deren Partner angreifen wollten. Stoltenberg erinnerte zugleich daran, dass der Afghanistan-Einsatz der NATO gestartet worden war, um die USA nach den Anschlägen im September 2001 im Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen. Zudem wie er darauf hin, dass sich in den vergangenen Wochen bereits mehr als 15 Länder dazu bereit erklärt hätten, die Zahl ihrer Truppen für den Afghanistan-Einsatz der NATO noch einmal aufzustocken.
Nach Angaben der NATO sind derzeit etwa 12.400 Soldaten im Einsatz, um afghanische Sicherheitskräfte auszubilden und zu beraten. Angesichts der angespannten Sicherheitslage sollen es im kommenden Jahr eigentlich rund 15.800 werden.
USA: Aufrüsten in Afghanistan
Präsident Trump verkündete in einer Ansprache an die Nation, das Engagement dort nach der Verringerung der Soldaten und Beendigung des Kampfeinsatzes Ende 2014 unter Vorgänger Barack Obama wieder zu verstärken - und sogar ohne ein Ende in Aussicht zu stellen.
Nun doch wieder ein stärkeres Engagement der USA in Afghanistan - was steckt hinter der Entscheidung?
Die USA und die NATO befürchten, dass Afghanistan wieder zu einem sicheren Rückzugsort für islamistische Terroristen werden könnte. Ein "hastiger Abzug" würde ein "Vakuum" zum Beispiel für die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) oder das Terrornetzwerk Al-Kaida kreieren, sagte US-Präsident Donald Trump.
Die Sicherheitslage hat sich seit Ende des internationalen Kampfeinsatzes im Dezember 2014 drastisch verschlechtert. Den Krieg hatten die USA begonnen, nachdem Al-Kaida-Terroristen am 11. September 2001 die USA angegriffen und unter anderem zwei Flugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Centers gesteuert hatten. Al-Kaida-Chef Osama bin Laden lebte damals in Afghanistan, das von den radikal-islamischen Taliban regiert wurde.
Wie sieht die Sicherheitslage aus?
Die Taliban breiten sich wieder aus. Nach Militärangaben "kontrollieren oder beeinflussen" sie heute rund elf Prozent des Landes. Weitere knapp 30 Prozent gelten als umkämpft. Gleichzeitig hat sich ein Ableger des IS etabliert. In der Hauptstadt Kabul gab es seit Jahresanfang elf schwere Anschläge, bei denen mehr als 1.000 Menschen starben oder verletzt wurden. Die afghanischen Streitkräfte sind überfordert, Tausende sterben jedes Jahr, Zehntausende desertieren.
Schicken die USA also nun mehr Soldaten?
Das ließ Präsident Trump offen. In US-Medienberichten war vor seiner Rede von einer Aufstockung von um die 4.000 Soldaten die Rede gewesen. Sie gilt als wahrscheinlich. Eine Pressemitteilung von Verteidigungsminister James Mattis deutete ebenfalls darauf hin. In dieser hieß es, er werde sich nun mit den NATO-Alliierten in Verbindung setzen, von denen "ebenfalls viele mehr Truppen versprochen" hätten. 15 NATO-Staaten hatten schon vor einer Konferenz der NATO-Verteidigungsminister im Juni ein zusätzliches Engagement in Aussicht gestellt; während der Konferenz habe es weitere Zusagen gegeben, sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg damals.
Was können mehr Truppen in Afghanistan bringen - und was nicht?
Das kommt darauf an, wofür sie eingesetzt werden - was Trump ebenfalls nicht klargestellt hat. Stoltenberg hatte Ende Juni in Brüssel betont, es gehe nicht darum, den Kampfeinsatz wiederaufleben zu lassen, sondern darum, die Ausbildung der afghanischen Streitkräfte auszubauen. Die USA und die NATO haben mit rund 12.400 Soldaten einen Großteil ihrer Soldaten im Land in einer reinen Trainingsmission für die afghanischen Streitkräfte, Resolute Support (RS).
Präsident Trumps Rede klang aber ambivalenter: Er erwähnte das Training für die Afghanen nur am Rande, aber sagte: "Wir werden nicht wieder Staatsaufbau betreiben, wir werden Terroristen töten." "Vergeltung" werde "schnell und mächtig" sein, Restriktionen des US-Militärs würden aufgehoben und seine Befugnisse erweitert. Die USA haben eine eigene Kampfmission, Freedom's Sentinel, in der rund 2.100 Spezialkräfte gegen die Taliban und den IS vorgehen.
Experten sind sich einig, dass mehr Training für die um die 350.000 Mann starken afghanischen Streitkräfte Schlüssel für eine Verbesserung der Sicherheitslage ist - vor allem Training für die relativ erfolgreichen Spezialkräfte, die bis 2020 auf 34.000 Mann verdoppelt werden sollen. Derzeit gilt die NATO-Trainingsmission aber als viel zu klein. Mangels Personals kann sie fast nur auf hoher Offiziersebene ausbilden. Eine Konsequenz ist, dass jedes Jahr Zehntausende Soldaten und Polizisten wegen schlechter Führung und Korruption desertieren. Die Verluste sind hoch. 2016 starben mehr als 7.000 Sicherheitskräfte, rund 12.000 wurden verletzt.
Trump droht Pakistan - womit?
Auch in diesem Teil der Rede wollte Trump nicht so recht Fakten rausrücken. Der Nachbar Afghanistans beherberge genau jene Terroristen (Taliban und Haqqani-Netzwerk), die Amerika bekämpfe, das müsse sich ändern, das werde sich ändern - "sofort", sagte Trump. Ob damit aber wirtschaftliche Sanktionen, die Kürzung der substanziellen finanziellen Unterstützung für das pakistanische Militär oder wieder mehr US-Drohnenschläge in Pakistan gemeint sind, das ließ er offen.
Wann wird es also besser in Afghanistan?
Höchstens mittelfristig. Falls es mehr Truppen gibt und die eingesetzt werden, um das Training der Afghanen zu verstärken, sieht der Plan der NATO laut RS-Sprecher Bill Salvin so aus: 2018 sollen die Afghanen zu "limitierten Offensiven", 2019 zu "großen Offensiven" in der Lage sein. Experten sind skeptischer: Der Plan sei weitgehend darauf ausgelegt zu verhindern, dass sich die Position der Regierung weiter verschlechtere und die Aufständischen größere Städte eroberten, meint Stephen Biddle vom Rechercheinstitut Council on Foreign Relations. Dafür scheint es keine Abzugspläne mehr zu geben. Trump hat betont, dass der Einsatz nun nicht von mehr "willkürlichen Zeitplänen", sondern von den Umständen abhänge. Die Taliban sollten nicht mehr das Gefühl habe, sie bräuchten die USA nur "auszusitzen".
Wenn die USA nun wieder stärker auf militärische Optionen setzen, sind dann Friedensverhandlungen mit den Taliban vom Tisch?
Das ist unklar. Auch viele US-Generäle hatten bisher betont, dass eine politische Einigung mit den Taliban der einzige Ausweg sei und ein stärkeres Engagement ein Mittel sei, die Taliban dazu zu bewegen. Trump schien die US-Rhetorik hier zu ändern. Er sagte, vielleicht werde es "eines Tages, nach einer effektiven Militärkampagne, möglich sein, eine politische Lösung mit einigen Elementen der Taliban" zu finden - aber niemand wisse, ob oder wann das jemals geschehen werde.
Die Taliban lehnen Friedensgespräche seit Jahren ab. Auf Trumps Ankündigung, man werde sie "daran hindern, Afghanistan zu übernehmen" werden sie vermutlich mit einer Serie von Offensiven und Anschlägen antworten. Sie sähen US-Truppen im Land als Daseinsberechtigung an, sagt der ehemalige Taliban-Kommandant Mohammed Sayed Akbar Agha. Mehr US-Truppen würden Kampf und Rekrutierung nur neuen Schwung verleihen.
Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid (Sabiullah Mudschahid) schrieb nach Trumps Rede in einer E-Mail an Medien, solange auch nur ein US-Soldat im Land sei, setzten die Taliban ihren "Jihad mit Entschlossenheit" fort. "Wir werden ihnen (den Soldaten) Angst machen und ihrer Regierung die Realitäten in diesem Land zeigen." Die Taliban seien nicht kampfesmüde. Sollten die USA nicht abziehen, werde Afghanistan zu ihrem Friedhof werden.
Warum blieb Trump so unkonkret?
Internationale Konflikte sind für Trump verminte Gebiete. Seine Anhänger verlangen von ihm, sich aus waghalsigen Operationen im Ausland herauszuhalten. Das hat er im Wahlkampf mehrfach wortgewaltig versprochen. Jetzt muss er zugeben: Das ist so wohl nicht haltbar. Die Generäle in seinem Kabinett, wie Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster und Stabschef John Kelly, haben hier klar die Linie vorgegeben. Trump selbst, so Militärexperten, habe weder besonders große Ahnung von Kriegsführung noch von Außenpolitik. Seine oberste Priorität ist, seine Anhänger nicht zu verprellen.
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