Operationen im Bombenhagel
Schon der Umstand, dass Ärzte nicht sagen wollen, wo sie Verwundete operieren, sagt eigentlich alles darüber aus, was sich im bürgerkriegsgebeutelten Syrien tagtäglich abspielt. Ärzte sind zum Ziel geworden in diesem mehr und mehr undurchschaubaren Konflikt. Und daher spricht Tankred Stöbe gegenüber dem KURIER von einem Ort „irgendwo im Nordwesten Syriens“, wenn er über die kleine Klinik spricht, die die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) in den vergangenen Wochen in dem Krisengebiet aufgebaut hat. Er will die Mediziner, die dort tätig sind, nicht in Gefahr bringen.
Tankred Stöbe ist der Chef von MSF-Deutschland. Er war selbst dabei in Syrien. Und er zeichnet ein düsteres Bild von der Lage in dem Land, in dem das einst bestehende medizinische Versorgungssystem völlig kollabiert ist. In dem Kriegsverwundete von Glück reden können, wenn sie einen Arzt finden.
Schusswunden
In den Tagen, die das ausländische Team in Syrien verbracht hat, wurden laut Stöbe Dutzende Verwundete behandelt. Offenkundig zivile Opfer, aber auch „junge Männer“ mit Schusswunden; Wunden durch Granatsplitter, Verletzte von Verkehrsunfällen, die massiv zugenommen haben, weil bei Nacht kaum jemand mit Licht fährt, da Autos oft Ziel von Luftschlägen werden.
Die Ärzte kamen unter Feuer, mussten ihre Unterkunft räumen, weil sie in ein Bombardement geraten waren. Dabei hatte MSF eine vergleichsweise sichere Region ausgewählt. Aber sichere Gebiete, so beschreibt es Stöbe, gibt es in Syrien nicht. Und auch keine Sicherheiten für Mediziner. MSF hat bisher vergeblich versucht, eine offizielle Genehmigung der syrischen Behörden für den Einsatz zu erhalten.
Der Aufbau der Klinik im Nordwesten, die an syrische Ärzte übergeben wurde, funktionierte nach seinen Worten nur in Kooperation mit engagierten Medizinern aus der Region. Syrern, die wissen, welche Hilfe wo am besten gewährleistet werden kann und die die bestehende Infrastruktur kennen. Letztlich musste aber alles vom OP-Tisch bis zum Plastikhandschuh aus der Türkei ins Land gebracht werden.
„Eine Aktion“, so Tankred Stöbe, „die den Anspruch von Ärzte ohne Grenzen, auf beiden Seiten eines Konfliktes zu arbeiten und die völlige Unparteilichkeit zu wahren, extrem herausgefordert hat.“ Aber, so sagt er: „Jeder Verwundete hat das Recht auf eine medizinische Versorgung und das ist derzeit nicht gegeben in Syrien.“
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