Ägyptens Militär beharrt auf Wahltermin

Ex-Ministerpräsident wird neuer Regierungschef. Der Militärrat schließt eine Verschiebung der Wahl aus. Insgesamt starben 41 Menschen.

Den Zehntausenden Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo kann der Wandel hin zu mehr Rechtsstaatlichkeit in Ägypten gar nicht schnell genug gehen. Ihr heftiger Protest gegen die Generäle, die seit dem Sturz von Hosni Mubarak die Fäden ziehen, drohte am Donnerstag jedoch kurzfristig den Demokratisierungsprozess auszubremsen. Innenminister Mansur Essaui hatte dem Obersten Militärrat laut Sender Al Jazeera vorgeschlagen, die für kommenden Montag angesetzten Parlamentswahlen wegen der andauernden Gewalt zu verschieben. Die ersten freien Wahlen sollen in drei Phasen stattfinden und sich bis in den Jänner hinziehen.

Kamal Ganzouri neuer Regierungschef

Der Rat reagierte rasch: Man schließe eine Verschiebung aus, hieß es zu Mittag. Der vereinbarte Zeitplan solle trotz Unruhen eingehalten werden. Erst am Dienstag war der Militärrat auf Forderungen der Opposition eingegangen. Er nahm den Rücktritt der Übergangsregierung an. Jetzt soll der ehemalige ägyptische Ministerpräsident Kamal Ganzouri eine Übergangsregierung führen. Er war bereits von 1996 bis 1999 unter dem damaligen Staatschef Hosni Mubarak Premier. Im Juli soll dann endgültig eine gewählte Regierung zum Zug kommen. Für Juni 2012 sind Präsidentenwahlen geplant.

Die Menschen auf der Straße sind voller Ungeduld und vor allem in Sorge, dass die Ziele ihrer Revolution versanden. Auch dass nach der Wahl Islamisten das Ruder übernehmen könnten, hinterlässt vor allem bei säkularen Gruppen und Christen einen bitteren Beigeschmack. Über den bisherigen zögerlichen Wandel herrscht keine Euphorie.

Bei der Gewaltwelle sind bisher insgesamt 41 Menschen getötet worden, wie das Gesundheitsministerium am späten Donnerstagabend mitteilte. Allein in der Hauptstadt Kairo starben 36 Menschen. Vier Todesopfer wurden aus Ismailija und der zweitgrößten Stadt Alexandria gemeldet. In der nordwestlichen Stadt Mersa Matruh wurde am Mittwoch ein Demonstrant erschossen, als eine aufgebrachte Menge versuchte, eine Polizeiwache zu stürmen. Am Donnerstag hat der Militärrat erstmals die tödliche Gewalt der Polizei gegen Demonstranten verurteilt.

Mit Blut befleckter Dialog

Doch entschuldigen wollen die aufgebrachten Bürger die harten Übergriffe gegen Zivilisten nicht. Unterstützung für einen friedlichen Transformationsprozess bekommen sie vom Großscheich der Kairoer Al-Azhar-Universität und Moschee. Ahmed al-Tayeb ist dort die höchste theologische Autorität im sunnitischen Islam. Wegen der Gewalt forderte er die Polizei in der ägyptischen Hauptstadt jetzt auf, nicht mehr auf Demonstranten zu schießen. Jeder "mit Blut befleckte Dialog" sei zum Scheitern verurteilt und "seine Früchte werden bitter sein", mahnte er im Staatsfernsehen zur Mäßigung.

Es gibt noch einen wesentlichen Grund, warum der Militärrat an der Abhaltung der Wahlen ab Montag festhält: Ein Bündnis mit den wahrscheinlichen Wahlsiegern, den unter Ex-Präsident Hosni Mubarak strikt verbotenen Muslimbrüdern, könnte den Generälen ihre weitreichenden Privilegien sichern. Dazu gehören zum Beispiel Anteile an staatlichen Unternehmen und Wohnmöglichkeiten in guten, abgeschlossenen Siedlungen.
Die mächtigen Militärs kontrollieren Teile der ägyptischen Rohstoffindustrie, sie haben Firmen, die Erdgas, Erdöl und Phosphat fördern und die Kassen klingeln lassen.

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