Ägyptens Armeechef "lädt zum Bürgerkrieg"

Members of the Muslim Brotherhood and supporters of ousted Egyptian President Mohamed Mursi (back) clash with anti-Mursi protesters, along Qasr Al Nil bridge, which leads to Tahrir Square, in Cairo July 22, 2013. Supporters and opponents of ousted Egyptian President Mohamed Mursi clashed in central Cairo on Monday, hurling stones and firing birdshot and fireworks at each other, witnesses said. REUTERS/Stringer (EGYPT - Tags: POLITICS CIVIL UNREST)
Anhänger und Gegner des Militärs gehen heute auf die Straßen. Riesenchaos wird befürchtet.

Keine Seifenopern, kein Ramadan-Programm, keine Sitcoms und weniger Werbung. Das Programm der ägyptischen privaten Satelliten-TV-Sender hat sich dem Wunsch des Militärs gebeugt und zeigen heute fast ausschließlich Nachrichten und Bilder von den erwarteten Massendemos in Kairo. So sollen noch mehr Ägypter motiviert werden, auf die Straße zu gehen.

In „Millionenzahl“ will er heute seine Anhänger auf den Straßen sehen, sagte Armeechef und Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi am Mittwoch. Sie sollen ihm ein „Mandat zur Bekämpfung des Terrors“ geben, verlangte der starke Mann in der ägyptischen Übergangsregierung. Als „Terroristen“ bezeichnet er die seit Wochen demonstrierenden Mursi-Anhänger.

Mit dem Aufruf zu Protesten schlägt al-Sisi nicht gerade in die Kerbe seines Interimspräsidenten. Adli Mansour hatte die verfeindeten Lager der Islamisten und Säkularen schon ein paar mal zur Versöhnung aufgerufen. Mit dieser Kampfansage schlägt der Militärchef, der viel mächtiger ist als der Präsident, neue Töne an. Für die Muslimbrüder ist das nichts anderes als ein „offener Aufruf zum Bürgerkrieg“.

„Showdown“

Beobachter glauben, dass General al-Sisi durch mögliche Unruhen eine härtere Hand gegen die Islamisten rechtfertigen will. „Viele richten sich auf eine blutige Zeit ein“, berichtet eine Kairoerin dem KURIER. Gamal Soltan von der Amerikanischen Universität in Kairo glaubt, dass der heutige Tag ein „Showdown“ und Wendepunkt werden könnte, was die Toleranz gegenüber den Mursi-Anhängern angeht. General al-Sisi könnte jetzt schärfer gegen die Islamisten vorgehen. Auch juristisch. Generalstaatsanwalt Hisham Barakat hat erneut Haftbefehle gegen hohe Muslimbrüder ausgestellt. Darunter deren Chef, Mohammed Badie, der gestern noch betont zu „friedlichen“ Protesten „für die Freiheit“ und gegen „den blutigen Militärputsch“ aufgerufen hatte. Er ist auf der Flucht.

Die Luft ist dick. Fast jeder scheint sich auf eine Seite zu schlagen. Die junge Protestbewegung „Tamarod“, die die Demos zum Sturz Mursis gestartet hatte, ist auf Seiten des Militärs. Ebenso die liberale Ex-Opposition „Nationale Rettungsfront“ von Mohammed ElBaradei. Auf der anderen Seite forderte der bekannte Kleriker Sheikh Yusuf al-Qaradawi mit einer Fatwa (islamisches Rechtsgutachten), al-Sisis Aufruf zu ignorieren.

USA legt Jets auf Eis

Die USA haben unterdessen eine geplante Lieferung von vier F-16-Kampfjets an das ägyptische Militär gestoppt. Zum ersten Mal hat Washington damit seine Militärhilfe für Kairo im Umfang von 1,3 Milliarden Dollar jährlich unterbrochen. „Angesichts der gegenwärtigen Lage in Ägypten halten wir es nicht für angemessen, derzeit weiter zu liefern“, hieß es im Pentagon. Die vier Jets sind Teil einer großen Lieferung von insgesamt 20 F-16-Fliegern. Acht sind schon gebracht worden, berichtet das Foreign Policy Magazine. Demnach solle der Deal aber durchgeführt werden, wenn sich die Lage verbessere.

Bis heute bezeichnet die Obama-Administration den von der Armee organisierten Sturz Mursis nicht als „Militärcoup“. Diese Bezeichnung würde bedeuten, dass keine Militärhilfe mehr fließen dürfe. Mit der Unterbrechung des F-16-Deals sendet die Regierung jetzt ein Signal nach Kairo. Sie verlangt – wie die EU – die Freilassung von Ex-Präsident Mohammed Mursi.

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