Ägypten: Angst vor Islamisten wächst

Die Gewalt gegen koptische Christen schürt die Sorge, ob das Land am Nil den Kurs in Richtung Demokratie halten kann.

Knapp sechs Wochen sind es noch, dann wollen Ägyptens Bürger ihre Revolution und den Sturz von Langzeit-Diktator Hosni Mubarak mit freien Wahlen krönen. Doch verheerende Unruhen mit 26 Toten und mehr als 200 Verletzten zeigen einmal mehr, dass das Land am Nil von Demokratie und Freiheit noch meilenweit entfernt ist: In der Nacht auf Montag endete eine zuerst friedliche Demonstration von mehreren tausend Christen, die in Kairo gegen Unterdrückung und Brandschatzung einer ihrer Kirchen im Süden des Landes protestierten, in einem Blutbad.

Während das ägyptische Staatsfernsehen die Demonstranten für den Gewaltausbruch verantwortlich machte und damit den Hass extremer Muslime auf die Christen nur noch mehr schürte, berichteten diese, wie islamistische Schlägertrupps eine Hetzjagd starteten und Extremisten ein koptisches Spital stürmen wollten.

Untersuchung

Kameras hielten fest, wie das Militär mit Panzern in die Menge raste und Menschen überrollte. Die Militärregierung verhängte eine nächtliche Ausgangssperre und kündigte eine Untersuchung der Ereignisse an. Die Ruhe auf den Straßen der Megastadt am nächsten Morgen war nur vorläufig, es brodelte weiter gewaltig unter der christlichen Minderheit. Vor dem Krankenhaus, in das die meisten Verletzten am Vorabend gebracht worden waren, demonstrierten am Montag erneut Tausende koptische Christen.

Wieder gingen Autos in Flammen auf. Die Sicherheitskräfte waren in Alarmbereitschaft. Dass am Nachmittag das Todesurteil gegen einen Muslim vollstreckt wurde, der 2010 sechs Kopten und einen muslimischen Wachmann vor einer Kirche getötet hatte, sollte laut Beobachtern die Christen besänftigen. EU, UN-Chef Ban und US-Präsident Obama riefen beide Seiten zur Mäßigung auf. Die Unruhen dürften fairen Wahlen nicht im Wege stehen.

Diese stellen etwa zehn Prozent der mehr als 83 Millionen Einwohner Ägyptens und gelten als wirtschaftliche Säule des Landes. Viele Kopten fürchten, dass es trotz des Regimewechsels nicht besser wird und es zu einer Islamisierung Ägyptens kommen könnte. Einerseits durch das Erstarken der Muslimbrüder, die unter Mubarak verboten waren.

100.000 bereits geflohen

Besonders aber durch die Salafisten - eine radikal-islamische Bewegung, die eine Modernisierung des Islam strikt ablehnt und die in Ägypten keinen Platz für Kopten sieht. Mehr als 100.000 koptische Christen haben seit dem Sturz Mubaraks - den sie mitgetragen haben - Ägypten verlassen. Laut der Ägyptischen Union für Menschenrechte könnte diese Zahl bis Jahresende auf 250.000 steigen. Die meisten, die dem Land den Rücken kehrten, gehören zur jungen, gut ausgebildeten Wirtschaftselite.

Nicht nur Christen, auch die gebildete Schicht im Land wehrt sich gegen den Einfluss radikaler islamischer Gruppen. Sie will keine engstirnige Auslegung des Islam, wie sie die Salafisten predigen. Schon gar nicht die Scharia.

Die Jugendbewegung 6. April, die die Proteste gegen das alte Regime mitorganisiert hatte, wertet die jüngste Eskalation gegen die Christen als Versuch von Konterrevolutionären, "den friedlichen Charakter der Revolution" zu zerstören. Sie rief die Regierung dazu auf, die legitimen Forderungen der Kopten zu erfüllen. Dazu zähle auch, dass beim Bau von Kirchen die gleichen Bedingungen gelten müssten wie für Moscheen.

Ägypten: Stimmen für den Islam

Salafisten Sie sehen sich als Vertreter des wahren Islam und orientieren sich radikal am Koran. Die theologische Modernisierung des Islam lehnen sie ab. Innerhalb der ultra-orthodoxen Bewegung gibt es einen Flügel, der zum Heiligen Krieg gegen Ungläubige aufruft.

Muslimbruderschaft Sie hat in etlichen islamischen Ländern Ableger. Ihre Devise: "Gott ist unser Ziel, der Koran unsere Verfassung." Nach Mubaraks Sturz ließen sich die Muslimbrüder als Partei registrieren. Schon zuvor war die Gruppe bei der Bevölkerung wegen sozialer Hilfen beliebt.

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