Abwehrsystem von Bakterien als Vorbild

Die Entdeckerinnen: Emmanuelle Charpentier (li.), Jennifer Doudna
Die wichtigsten Fragen und Antworten. Die neuen Gentechnik-Verfahren hinterlassen praktisch keine Spuren im Erbmaterial

Was sind sogenannte „Genome-Editing-Verfahren“ wie Crispr/Cas-9 genau?

Mit diesen neuen biochemischen Methoden kann das Erbgut an einer beliebigen Stelle gezielt verändert oder ausgeschaltet werden – präziser als bisher und ohne Hinzufügen von Erbmaterial anderer Organismen. Das war bisher bei Pflanzen der Fall, die mit Hilfe der Gentechnik gegen Schädlinge oder Unkrautgifte widerstandsfähig gemacht wurden. Forscher sprechen von „editieren“, weil das Genom wie ein Text bearbeitet wird.

Wer hat das Verfahren entwickelt, und wie kam man auf diese Anwendung?

Der französischen Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier und der US-Biochemikerin Jennifer Doudna gelang es 2012, diese molekulare Such- und Schneidemaschine gezielt für Veränderungen des Erbgutes zu nutzen. Wird die DNA gezielt an einer vorherbestimmbaren Stelle geschnitten, repariert die Zelle daraufhin den DNA-Strang selbst. Dabei kann sich die Abfolge der Bausteine der Erbsubstanz etwas ändern. Vorbild war den Forscherinnen dabei das Abwehrsystem eines Bakteriums (Streptococcus pyrogenes). Diese Streptokokkenart nutzt Crispr/Cas-9, um Viren-DNA zu zerschneiden und so unschädlich zu machen.

Und warum ist das so umstritten derzeit?

Weil sich die Erbsubstanz so exakt verändern lässt, hinterlassen derartige Manipulationen praktisch keine Spuren auf dem Erbgut. Derart veränderte Pflanzen und Tiere können daher nicht durch molekularbiologische Testmethoden identifiziert werden, wie es bei jenen aus herkömmlicher Gentechnik recht leicht möglich ist.

Welche Argumente haben die Befürworter und Gegner in der Frage, ob eine spezielle Zulassung und Kennzeichnung notwendig sind?

Nach Ansicht der Befürworter unterscheidet sich die Methode nicht von konventionellen Züchtungsmethoden, solange keine fremde DNA eingebaut wird. Derzeit werden in der konventionellen Pflanzenzüchtung Mutationen auch mit Hilfe von radioaktiver Bestrahlung oder Chemikalien ausgelöst. Die Gen-Schere mache nichts anderes, nur viel eleganter. Man könnte etwa Pflanzen züchten, die gegen Schädlinge widerstandsfähiger sind – ohne wie bisher Erbgut anderer Organismen einbauen zu müssen. Auch der Nährwert von Nahrungs- und Futterpflanzen könnte verändert werden. So gibt es bereits Versuche in den USA mit einer Sojabohne mit verändertem Ölsäuregehalt oder mit einem Mais mit veränderter Stärkezusammensetzung. Erträge könnten so erhöht, die Nährstoffversorgung verbessert werden.

Kritiker sehen hingegen deutliche Unterschiede zur konventionellen Züchtung. Denn mit Crispr könnten auch Regionen im Erbgut verändert werden, die von der Natur her vor Mutationen besonders gut geschützt seien. Auch derart manipulierte Pflanzen könnten sich unkontrollierbar ausbreiten und dadurch Vorteile gegenüber anderen Pflanzen haben und diese so verdrängen.

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