Abes Wahltriumph in Japan mit verborgenen Schwächen

Shinzo Abe wird längstdienender Nachkriegspremier Japans
Trotz einer Zweidrittel-Mehrheit im Parlament ist das Lieblingsprojekt des Premiers, die Abschaffung der pazifistische Verfassung, fraglich.

Leistet er sich keine groben Schnitzer, wird Shinzo Abe vier weitere Jahre Regierungschef sein, die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio eröffnen und als längstdienender Nachkriegspremier in die Geschichte Japans eingehen. Gemeinsam mit der neobuddhistischen Gruppierung Komeito verfügt seine Liberaldemokratische Partei (LDP) nach der Parlamentswahl vom Sonntag sogar über eine Zweidrittel-Mehrheit.

Pazifismus als heilige Kuh

Diese wolle er nutzen, daran ließ Abe im Wahlkampf nie Zweifel, um den Artikel 9 des Grundgesetzes von 1947 zu kippen. Darin – de facto von der Siegermacht USA diktiert – entsagt das Land "für alle Zeiten dem Krieg" und verzichtet auf "Land-, See- und Luftstreitkräfte". Allein – darüber entscheiden nicht nur die Abgeordneten, zwingend ist auch eine Volksabstimmung vorgesehen. Und dabei ist die Mehrheit ziemlich fraglich. Denn analog zur Neutralität in Österreich ist die pazifistische Verfassung vielen Japanern, zumal den älteren, eine heilige Kuh.

Dennoch wird der Premier auf diesem Thema drauf bleiben und wie schon im Wahlkampf ohne Unterlass mit der nordkoreanischen Gefahr (Stichwort Raketen über Japan) argumentieren – was ihm den Erfolg an den Urnen bescherte.

Doch dieser ist bei näherem Hinsehen weniger strahlend als auf den ersten Blick: Denn 62 Prozent der Mandate werden direkt vergeben – da die Opposition zersplittert ist, hatten LDP-Kandidaten leichtes Spiel. Bei den restlichen 38 Prozent der Sitze, bei denen es auf das Stimmenverhältnis ankommt, erzielte die LDP nur 34 Prozent. Selbst mit Komeito reichte es nicht für eine absolute Mehrheit (47 Prozent).

Börse reagiert positiv

Die Tokioter Börse reagierte jedenfalls positiv auf den Erfolg der LDP: Der Nikkei-225-Aktienindex legte am Montag den 15. Tag in Folge zu. Zumal der Premier die ultralockere Ausgaben- und Geldpolitik fortführen will ("Abenomics"), Liquidität also weiter in die Märkte fließt und die Zinsen niedrig hält.

Das ist dringend nötig, beträgt doch die Staatsverschuldung 250 Prozent des BIPs. Der Vergleichwert für Österreich: knapp 86 Prozent. Dennoch muss Abe jetzt gegen den Widerstand der Opposition die Mehrwertsteuer (eine Massensteuer) erhöhen, damit das Defizit nicht total aus dem Ruder läuft. Von einer nachhaltigen Sanierung des Staatshaushaltes ist aber nicht die Rede. Diese notwendige Maßnahme wird im nationalistischen Verfassungsgetöse untergehen.

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