780 Euro im Monat: Italien führt Mindestsicherung ein

"Zuerst die Armen". Eine Frau vor einem geräumten Haus in Rom
Die Regierung in Rom startet nach langer Debatte das so genannte "Bürgereinkommen" für fünf Millionen arme Italiener

Nicht nur in Österreich ist die Mindestsicherung in aller Munde – auch in Italien beherrschte das Thema monatelang die Medien. Sie einzuführen, war eines der großen Wahlversprechen der Fünf-Sterne-Bewegung von Vizepremier Luigi Di Maio. Am Donnerstagabend verkündete er stolz, dass der „reddito di cittadinanza“, das Grundeinkommen, ab April ausbezahlt werde.

An der Seite von Premier Giuseppe Conte und Innenminister Matteo Salvini wurde das „Decretone“ , das umfangreiche Dekret, in Rom vorgestellt. Neben der viel diskutierten Mindestsicherung wurde auch eine neue Pensionsreform, ein Steckenpferd Salvinis, vorgestellt.

780 Euro im Monat: Italien führt Mindestsicherung ein

Stolz auf ihr Dekret: Di Maio, Conte, Salvini

Fünf Millionen Arme

Das so genannte „Bürgereinkommen“ in der Höhe von 780 Euro monatlich soll das Leben von fünf Millionen Italienern, die in Armut leben, verbessern. Also von Menschen, die über ein Jahreseinkommen von weniger als 6000 Euro verfügen. Das Geld wird aufstockend zum eigenen Einkommen gezahlt. Es werden allerdings nur 100 Euro als Bargeld ausgezahlt, der Rest ist als Prepaid-Karte erhältlich, mit der man etwa Lebensmittel bezahlt.

Wer ein neues großes Auto besitzt, ist ebenso von Zahlungen des Bürgereinkommens ausgeschlossen wie Bootsbesitzer.

Strikte Regeln gelten für Familien: Sollte ein Familienmitglied in den vergangenen zwölf Monaten eine Arbeitsstelle selbst gekündigt haben, bekommt die ganze Familie kein Geld.

Wer in einer Eigentumswohnung lebt, erhält maximal 500 Euro. Zudem müssen die Leute beim Arbeitsamt eingeschrieben sein und dürfen nicht mehr als drei Jobangebote ablehnen. Die Bezieher der Mindestsicherung verpflichten sich künftig dazu, Weiterbildungskurse zu besuchen sowie acht Stunden pro Woche einem Ehrenamt zu widmen.

780 Euro im Monat: Italien führt Mindestsicherung ein

Fünf Millionen arme Italiener sollen das "Bürgereinkommen" erhalten

Neu in Italien

Das „Bürgereinkommen“ ist kein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern entspricht einer Art Grundsicherung, die es bisher in Italien nicht gab. Es wird auch mit Hartz IV (Deutschland) oder der Mindestsicherung (Österreich) verglichen. Sieben Milliarden Euro investiert die Fünf-Sterne-Lega-Regierung in die neue Sozialleistung.

Ausländer können um den „reddito di cittadinanza“ ansuchen, wenn sie seit zehn Jahren legal in Italien leben. Asylwerber sind vom Bezug ausgeschlossen. Missbrauch und falsche Datenangaben werden hart bestraft – es drohen bis zu sechs Jahre Gefängnis.

Früher in Pension

Die zweite wichtige Reform, das Steckenpferd von Innenminister Matteo Salvini, betrifft die Pensionen. Für die von der Lega versprochene Pensionsreform sind vier Milliarden Euro budgetiert.

Der Renteneintritt ist dann möglich, wenn das Alter und die Beitragsjahre zusammen die Summe 100 ergeben. „Quote 100“ nennt das die Regierung.

Etwa 355.000 Italiener könnten demnach schon mit 62 Jahren in Pension gehen, weil sie schon mindestens 38 Beitragsjahre beisammen haben.

Bisher liegt das gesetzliche Renteneintrittsalter für Männer bei 65 Jahren. Frauen können weiter mit 58 in den Ruhestand gehen, wenn sie in einem Angestelltenverhältnis beschäftigt sind und mindestens 35 Jahre Beiträge gezahlt haben.

„Ich widme die Quote 100 Fornero und Monti“, sagte Salvini in Anspielung an die frühere Arbeitsministerin Elsa Fornero und Ex-Premier Mario Monti. Im Zuge der Wirtschaftskrise wurden rigorose Sparmaßnahmen umgesetzt, und das Rentenalter wurde hinaufgesetzt, die Pensionen wurden gekürzt. Durch den früheren Pensionsantritt sollen – so der Wunsch der Regierung – Arbeitsplätze für junge Leute entstehen.

Italienweit sind 20 Prozent aller 15- bis 34-Jährigen arbeitslos. Die Jugendarbeitslosigkeit im Süden liegt auf einem Rekordhoch von fast 50 Prozent. Dort leben ca. 53 Prozent der künftigen Bezieher des Bürgereinkommens“.

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