Van der Bellen nach Klimakonferenz: "Die Welt ist nicht auf dem richtigen Kurs"

Van der Bellen nach Klimakonferenz: "Die Welt ist nicht auf dem richtigen Kurs"
Mit 36-stündiger Verspätung ging der Klimagipfel im ägyptischen Sharm el-Sheikh zu Ende. Es gab Schritte vorwärts, aber nicht bei zentralen Punkten.

Um 6:57 Uhr (Ortszeit) und einer durchverhandelten Nacht ging die 27. Klimakonferenz Sonntagfrüh zu Ende. Wegen vieler offener Fragen mussten die Delegierten die ganze Nacht auf Sonntag durcharbeiten, bis im finalen Plenum und mit 36-stündiger Verspätung der Hammer des ägyptischen Vorsitzenden Sameh Shoukry fiel.

"Das ist das Jahrzehnt, wo es passieren muss. Aber was wir vor uns haben, ist nicht genug, es ist kein ausreichender Schritt vorwärts für die Menschen und unseren Planeten. Es verpflichtet die größten Verursacher von Treibhausgasen viel zu wenig, ihren Klimaschutz zu beschleunigen", sagte EU-Klimakommissar Frans Timmermans im Namen der EU-27.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) zog ebenso kein positives Fazit: "Das Ergebnis der Weltklimakonferenz ist enttäuschend. Denn wir sind bei der Reduzierung von Emissionen im Vergleich zu Glasgow im vergangenen Jahr keinen wesentlichen Schritt vorangekommen." Genau in diesem Bereich bräuchte es aber wesentlich mehr Entschlossenheit und Tempo, so Gewessler: "Denn Klimaschutz ist zu einer Überlebensfrage geworden."

Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der am Samstag positiv auf das Coronavirus getestet worden war, nannte die Einigung auf der COP27 "ernüchternd": "Es ist nicht gelungen, sich auf ambitioniertere Ziele im Bereich der Emissionsreduktionen zu einigen. Die Welt ist nicht auf dem richtigen Kurs", lautete die Einschätzung des Staatsoberhaupts auf Twitter.

Nun müsse man weiterkämpfen. Österreich hätte "in den letzten Jahren eine Aufholjagd", so Gewessler. "Die EU hat sich ambitionierte Ziele gesetzt und in Gesetze gegossen."

"Wir haben geliefert"

"Das war nicht einfach. Wir haben rund um die Uhr gearbeitet", sagte COP-Präsident Sameh Shoukry zum Ende der Konferenz. "Jegliche Ausrutscher, die es gegeben haben mag, waren nicht beabsichtigt." Die Gespräche der Vertreter aus rund 200 Ländern seien teilweise angespannt gewesen, aber "am Ende haben wir geliefert", sagte Shoukry. 

Streitthema Schäden und Verluste

Immerhin gab es eine Einigung beim Streitthema Schäden und Verluste („loss and damage“). Der neue Entschädigungsfonds soll unabwendbare Folgen der Erderhitzung abfedern - etwa immer häufigere Dürren, Überschwemmungen und Stürme, aber auch der steigende Meeresspiegel und Wüstenbildung. In dem Beschluss werden keine Summen für den neuen Fonds genannt und auch nicht, wer genau einzahlen soll.

Dies soll später geklärt werden. Begünstigt werden sollen Entwicklungsländer, die besonders gefährdet sind. Auf diese Eingrenzung hatte besonders die EU gepocht.

"Hier konnten wir uns auf die dringend notwendige Unterstützung für besonders von der Klimakrise betroffene vulnerable Staaten einigen. Dieser Beschluss ist ein wichtiges, dringendes und nötiges Signal der globalen Solidarität", so Gewessler zur Einigung.

Beim Festhalten am 1,5-Grad-Ziel gab es keinen Fortschritt. Und selbst beim loss and damage-Fonds bleiben Ausgestaltung und Geberstaaten unklar, etwa ob China oder Saudi Arabien auf der Geberseite oder der Empfängerseite sein werden.

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Rolle Chinas

Umstritten war besonders die Rolle Chinas. Das Land, das beim Ausstoß klimaschädlicher Emissionen den ersten Platz belegt, will im internationalen Klimaschutz weiter als Entwicklungsland behandelt werden. So wurde es vor 30 Jahren im Kyoto-Protokoll festgelegt. Westliche Staaten wollen das Land wegen seiner Wirtschaftskraft und der Rolle als größter Verursacher von Treibhausgasen aber nicht länger als Empfängerland einstufen. Chinas Unterhändler Xie Zhenhua sagte, Entwicklungsländer sollten das Geld erhalten, räumte "verletzlichen Staaten" aber Vorrang ein.

Leider konnten sich die Verhandler nicht auf eine klare Sprache im Schlussdokument zur Erhöhung ihrer Klimaziele und auch nicht zu verbindlichen Maßnahmen einigen und ließen auch die Chance aus, sich auf das Ende der Abhängigkeit von allen fossilen Energieträgern festzulegen.

Die zweiwöchige Weltklimakonferenz sollte eigentlich nur bis Freitag dauern, wurde aber kurzfristig verlängert, weil es den Teilnehmern lange nicht gelungen war, sich zu einigen.

Zögern fordert Leben

In der Abschlusserklärung werden die Staaten außerdem aufgefordert, ihre größtenteils unzulänglichen Klimaschutzpläne bis spätestens zur nächsten Klimakonferenz nachzubessern. Diese findet Ende 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt. Die Nachbesserungen bleiben freiwillig, eine Verpflichtung gibt es nicht.

UNO-Generalsekretär António Guterres nannte den neuen Fonds für Klimaschäden einen wichtigen Schritt in Richtung Gerechtigkeit. "Sicherlich ist das nicht ausreichend, aber es ist ein dringend notwendiges Signal, um verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen."

“Die Staatengemeinschaft gefährdet durch ihr Zögern fahrlässig das Leben und die Lebensgrundlagen der am stärksten betroffenen Menschen. Anstelle von ziellosen Prozessen braucht es ambitioniertes Handeln bei Emissionsminderungen, Anpassungsrichtlinien, Geschlechtergerechtigkeit und Klimafinanzierung”, so die Einschätzung der Allianz für Klimagerechtigkeit. 

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Die Umweltschutzorganisation Greenpeace blickte in einer Reaktion mit gemischten Gefühlen auf die Klimakonferenz in Sharm el-Sheikh: "Mit dem aktuellen Ergebnis ist der Weg Richtung Klimahölle vorprogrammiert, denn ein Ende von Öl und Gas ist nicht in Sicht. Damit rückt jedoch auch das 1,5-Grad-Ziel in weite Ferne.

Ein Erfolg ist trotzdem zu verzeichnen: Es konnte ein Finanztopf für klimabedingte Schäden und Verluste etabliert werden", hieß es in einer Aussendung. Eine Einschätzung der Allianz für Klimagerechtigkeit kam zu einem ähnlichen Schluss. "Anstelle von ziellosen Prozessen braucht es ambitioniertes Handeln bei Emissionsminderungen, Anpassungsrichtlinien, Geschlechtergerechtigkeit und Klimafinanzierung", hieß es in einer Aussendung.

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