22 Jahre nach dem Film: Das macht die echte Erin Brockovich heute
„Hi, ich bin Erin – nicht Julia“, sagt Erin Brockovich und lacht. Humor ist eine der großen Stärken der amerikanischen Umweltschutzikone, die durch den nach ihr benannten Film mit Julia Roberts weltweit bekannt wurde.
Eine weitere Stärke der 62-Jährigen, die am Freitag am A1 Digital Life Summit in Wien teilnahm, ist ihre Willensstärke und Ausdauer: „To brockovich something“ ist in den USA zum Synonym dafür geworden, Probleme mit viel Hartnäckigkeit anzugehen – auch wenn der Gegner übermächtig scheint.
Rekord-Entschädigung
Im Fall von Erin Brockovich war dieser Gegner ein milliardenschweres Energieunternehmen, das sie 1996 als ungelernte Anwaltsgehilfin in die Knie zwang, nachdem es einen schweren Umweltskandal jahrzehntelang vertuscht hatte.
Seither setzt sich die zweifache Mutter weltweit für Umwelt- und besonders Wasserschutz ein, arbeitete weitere Fälle von Umweltschädigung juristisch auf und verfasste mehrere Bücher.
Kein Einzelfall
Bevor „Erin Brockovich“ im Jahr 2000 in die Kinos kam, sei ihr nicht bewusst gewesen, wie weit verbreitet Umweltprobleme seien, sagte die „echte“ Brockovich am Freitag. Sie dachte, bei dem von ihr aufgedeckten Skandal habe es sich um einen Einzelfall gehandelt. Doch dann seien im Monat nach der Premiere mehr als 100.000 eMails aus 126 Ländern bei ihr eingetrudelt, in denen Menschen von verschiedensten Umweltproblemen berichteten.
333 Millionen Dollar: Diese Rekordsumme erstritt Erin Brockovich 1996 für Hunderte Geschädigte eines gigantischen Umweltskandals. Als Aushilfe in einer Anwaltskanzlei war sie auf eine Häufung von Krebserkrankungen und anderer Gesundheitsbeschwerden in der kleinen kalifornischen Gemeinde Hinkley aufmerksam geworden. In der Folge deckte die alleinerziehende Mutter mit viel Einsatz und losem Mundwerk auf, dass die Erkrankungen mit der Verseuchung des Grundwassers mit hochgiftigem Chrom zusammenhängen. Dieses hatte das Energieunternehmen „PG&E“ in den 50er- und 60er-Jahren als Rostschutzmittel eingesetzt. Obwohl die Firma um die Gefahr wusste, informierte sie die Behörden erst 1987.
Die ehemalige Schönheitskönigin Brockovich überzeugte ihren Chef, gegen den Milliardenkonzern vorzugehen, der am Ende in die Schadenersatzzahlung einwilligte. Die bis dahin meist mittellose Brockovich erhielt als Prämie 2,5 Millionen Dollar.
Im Jahr 2000 verfilmte Steven Soderbergh die Geschichte mit Julia Roberts in der Hauptrolle, die dafür den Oscar erhielt. Der Film zeige zu 98 Prozent die Realität, sagte die „echte“ Brockovich, die heute mit ihrer Beratungsfirma Umweltprojekte in aller Welt betreut. Was nicht stimmt? „Ich war nie Miss Wichita, wie im Film gesagt wird, sondern Miss Pacific Coast.“
Die Lage sei seither nicht besser, sondern schlimmer geworden, sagt Brockovich mit Blick auf den Klimawandel, der sich weltweit durch Dürren, Wirbelstürme oder Hochwasser bemerkbar mache. „Wir sind aber nicht am Ende“, appelliert sie an jeden Einzelnen. „Wir sollten aber beunruhigt sein, wir sollten uns informieren, und wir sollten uns vorbereiten.“
"Superman wird nicht kommen"
Der Film über sie habe sie zu einer Hoffnungsträgerin für Betroffene von Umweltschäden gemacht, sagt Brockovich, das sei auch 22 Jahre nach dessen Erscheinen noch so. Sie habe kürzlich wieder einmal in ihren Facebook-Messenger geschaut, erzählt die eloquente Kalifornierin, und rund 900.000 Botschaften vorgefunden.
Viele Menschen glaubten, dass Veränderung nur von oben komme, doch das Gegenteil sei der Fall. „Superman wird nicht kommen“, heiße ihr neues Buch, „und ich selbst bin keine Superwoman“.
Brockovich sieht es als ihre Aufgabe, Menschen das nötige Rüstzeug mitzugeben, damit diese sich selbst wehren können. Wie erfolgreich einfache Menschen damit sein könnten, sehe sie immer wieder in Gemeinden, die sie betreute, so Brockovich. Vor allem Mütter seien oft treibende Kraft hinter Veränderungen, da sie um die Zukunft ihrer Kinder fürchteten.
Blei im Trinkwasser
Die Aktivistin erzählt über eine Gemeinde in Missouri, deren Trinkwasser mit Blei belastet war. Rund 50 Mütter taten sich zusammen, erwarben das nötige Wissen über das Schwermetall und den Grund für die Verunreinigung, sammelten Geld und starteten eine Informationskampagne.
Eine der Frauen schaffte es, in ein lokales Amt gewählt zu werden und konnte mithilfe eines Referendums eine Gesetzesänderung durchsetzen, die der Verseuchung ein Ende setzte.
Auch für sie selbst sei der größte Antrieb, die Umwelt für ihre Nachkommen zu erhalten, sagt Brockovich. Vor zehn Jahren sei sie nahe dran gewesen, aufzugeben, berichtet die Aktivistin, doch dann sei ihre erste Enkeltochter geboren worden. Für sie und die anderen Enkel lohne sich der Kampf gegen Erdzerstörung und Klimawandel.
Keine klaren Antworten
Sie sei sich bewusst, dass dieser komplexer sei als der Kampf gegen ein lokales Umweltproblem, sagt Brockovich. Doch auch hier gehe es nicht ohne das Engagement jedes Einzelnen.
Konkrete Vorschläge für eine Energiewende hat Brockovich indes nicht: Fragen nach Atomkraft oder der Sinnhaftigkeit von Elektroautos beantwortet sie nur vage. Es gebe bei allen Technologien positive und negative Aspekte.
Auch in puncto Fracking, der umstrittenen unterirdischen Gewinnung von Schiefergas, die in Österreich angesichts einer möglichen Energiekrise diskutiert wird, weicht Brockovich einer klaren Antwort aus. Technisch sei es möglich, Fracking ohne Gefahr für das Grundwasser durchzuführen. Allerdings werde das bisher aus Kostengründen nicht gemacht.
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