Jeder Vierte will heute austreten

Kampagne aus dem Jahr 1994
20 Jahre EU-Beitritt: Zwei Drittel meinen hingegen, die EU sei ein Friedensstifter.

1994 zogen sie an einem Strang und warben um ein Ja der Österreicher zum EU-Beitritt. 20 Jahre später ziehen die Sozialpartner-Spitzen (Wirtschaftskammer, Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Landwirtschaftskammer) Bilanz.

Beim EU-Referendum im Juni 1994 stimmten 66,7 Prozent für den Beitritt per 1. 1. 1995. Heute halten 57 Prozent die EU-Mitgliedschaft für "richtig", 36 Prozent für "falsch". Das ergibt eine Umfrage, die am Donnerstag von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik vorgestellt wurde. 67 Prozent wollen weiter in der EU bleiben, 25 Prozent austreten. Jeder vierte Österreicher will somit 20 Jahre nach dem Beitritt die Union verlassen.

"Das darf man nicht ignorieren und weiter Sonntagsreden halten", ist AK-Präsident Rudolf Kaske alarmiert. "Diese Umfrage spiegelt die Realität wider", ergänzt ÖGB-Chef Erich Foglar. "Die Arbeitslosigkeit explodiert, das Wachstum liegt am Boden." Ein "sozialeres Europa" ist für ihn der Ausweg aus der Krise.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz zählte Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl aber auch positive Entwicklungen auf: Ein durchschnittliches BIP-Wachstum von 0,9 Prozent pro Jahr, insgesamt wurden 480.000 neue Jobs geschaffen. Knapp 70 Prozent des österreichischen Handels spielt sich innerhalb der EU ab.

Leitl will einen "Neustart der EU". Er ärgert sich über sinnlose Vorschriften, ein "Paragrafendschungel". Wenn sich die EU-Bürokraten nicht mehr zurückhalten, droht er mit "zivilem Ungehorsam".

Landwirtschaftskammer-Präsident Hermann Schultes findet, dass die Land- und Ernährungswirtschaft "die EU-Chance genützt haben. Die Lebensmittelexporte haben sich verfünffacht".

Zwiespältiges Urteil

Die Zustimmung zu den großen politischen Projekte der EU – Euro, Schengen und Erweiterung – ist durchwachsen. 61 Prozent finden den Euro "sehr positiv" oder "eher positiv", 35 Prozent "eher negativ" oder "sehr negativ". Das Schengen-System (Ende von Pass- und Grenzkontrollen) finden nur 51 Prozent mehr oder weniger positiv. Ganz schlecht steht es um die Erweiterung: 61 Prozent sehen sie "eher negativ" oder "sehr negativ", nur 31 Prozent "positiv".

Christoph Leitl stellt resümierend fest: "Wir haben noch viel Arbeit vor uns."

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