15 Jahre Haft für belarussische Oppositionsführerin Tichanowskaja

15 Jahre Haft für belarussische Oppositionsführerin Tichanowskaja
Tichanowskaja lebt im Exil, das Urteil fiel in ihrer Abwesenheit. Der Präsidentschaftskandidatin wird "Verschwörung zur Machtergreifung" vorgeworfen.

Die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja ist wegen ihrer Rolle bei regierungskritischen Protesten in ihrer Heimat zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Belta meldete, wurde die nach Litauen geflohene Tichanowskaja am Montag in Abwesenheit wegen Hochverrats und "Verschwörung zur Machtergreifung" schuldig gesprochen. Die Oppositionelle will das Urteil anfechten, teilte ihr Team der APA mit.

Das Gericht in der Hauptstadt Minsk verurteilte zudem den in Polen lebenden oppositionellen Ex-Kulturminister Pawel Latuschko - auch wegen angeblichen Amtsmissbrauchs und Bestechlichkeit - zu 18 Jahren Haft.

Weitere prominente Gegner von Machthaber Alexander Lukaschenko wurden ebenfalls wegen des Versuchs der illegalen Machtergreifung in Abwesenheit verurteilt: Olga Kowalkowa, Sergej Dylewski und Maria Moros erhielten je zwölf Jahre Haft. Folgen hat das für die Oppositionellen, die nach der Präsidentenwahl im August 2020 einen Koordinierungsrat für einen Machtwechsel in Belarus gebildet hatten, nicht.

Berufung gegen Urteil

Das Urteil habe "keinerlei" Konsequenzen und zeige nur die Schwäche Lukaschenkos, der dem belarussischen Volk nicht verziehen habe, nicht für ihn gestimmt zu haben, hieß es aus dem Umfeld Tichanowskajas. "Swetlanas Anwälte werden Berufung einlegen", hieß es, weil die Dokumente und "Beweise für Verbrechen" gesammelt werden müssten. "Das Urteil ist kriminell, es ist illegal."

Tichanowskaja ihrerseits kündigte nach dem Urteil an, dass die demokratischen Kräfte aus Belarus, die im Exil arbeiten und dort auch eine Führung gebildet haben, sich weiter für Veränderungen im Land und für die Freilassung politischer Gefangener einsetzen würden. Es seien viele zu 5, 16 oder 22 Jahren Haft verurteilt worden, sagte die Politikerin, deren Mann Sergej Tichanowski ebenfalls politischer Gefangener ist.

Funktionäre, Richter und Staatsanwälte, die diese Justizverbrechen begingen, sollten eines Tages selbst vor ein unabhängiges Gericht gestellt und zur Verantwortung gezogen werden, sagte Tichanowskaja.

Menschenrechtler sprechen von inszenierten Verfahren gegen die Andersdenkenden mit dem Ziel, Lukaschenkos Gegner dauerhaft auszuschalten.

Österreich fordert Freilassung

Das österreichische Außenministerium protestierte gegen das Urteil. Das sei "ein weiterer vernichtender Schlag gegen die Opposition und die Zivilgesellschaft in Belarus. Die Vorwürfe sind völlig unbegründet. Unsere Position ist klar: Alle politischen Gefangenen müssen sofort freigelassen werden!", schrieb das Ministerium am Montag auf Twitter.

Tichanowskaja war im Sommer 2020 bei der Präsidentschaftswahl in der ehemaligen Sowjetrepublik gegen den langjährigen Machthaber Alexander Lukaschenko angetreten. Sie sprang dabei für ihren Mann ein, den Blogger Sergej Tichanowski. Dieser war nach Bekanntgabe seiner Kandidatur vom Regime festgenommen worden; Ende 2021 wurde er wegen der "Vorbereitung und Organisation von Massenaufständen" zu 18 Jahren Straflager verurteilt.

Gefängnisstrafe

Nach Lukaschenkos vom Westen nicht anerkannter angeblicher Wiederwahl prangerte Tichanowskaja Wahlfälschung an und reklamierte den Sieg für sich. Proteste nach der Wahl ließ der autoritär regierende Staatschef gewaltsam niederschlagen. Tausende Menschen wurden festgenommen oder flohen ins Ausland, darunter auch Tichanowskaja.

Erst vergangene Woche war der belarussische Friedensnobelpreisträger Ales Bjaljazki zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Ein Gericht in der Hauptstadt Minsk befand den 60-jährigen Menschenrechtsaktivisten laut der Agentur Belta schuldig, Proteste gegen die Regierung Lukaschenkos finanziert und Geld geschmuggelt zu haben.

Bjaljazki bestreitet die Verwürfe. Er sitzt seit 2021 in Haft und wurde im vergangenen Jahr mit dem Nobelpreis geehrt. Die nun ebenfalls verurteilte Tichanowskaja nannte das Urteil gegen Bjaljazki "entsetzlich".

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