120 Mio. Euro bei Korruptionsjäger in Moskau gefunden
Die Fotos beeindrucken und verstören: Hunderte Bündel Euro, Dollar und Rubel, verpackt in Schuhkartons und Plastiksäcken. Umgerechnet 120 Millionen Euro haben die Fahnder in Moskau in der Wohnung von Dmitri Sachartschenko und Wohnungen von Angehörigen beschlagnahmt. Er sitzt in Untersuchungshaft, gegen ihn wird wegen schwerer Korruption und Amtsmissbrauchs ermittelt. Besonders peinlich: Der Gärtner war – wieder mal – der Bock. Bevor er zum Gejagten wurde, war er Leiter der Abteilung zum Kampf gegen Wirtschaftskriminalität im Innenministerium.
Unverschämt
Wladimir Putin sei über den Fall umfassend informiert, ließ der Sprecher des Kremlchefs wissen. Ist er das wirklich, fragten sich kritische Kolumnisten eher rhetorisch. So unverschämt wie Sachartschenko hat sich zwar bisher niemand aus dem Staatssäckel bedient. Aber vor ihm wurden schon öfter Kleptokraten, die auf der Besoldungsliste des Staates stehen, in flagranti mit Summen erwischt, bei denen die Vorstellungskraft einfacher Russen schlicht und einfach versagt. Mal waren es hohe Chargen vom Zollamt, mal Kollegen aus der Steuerbehörde, die gegen Bakschisch Unehrlichkeiten ihrer „Kunden“ geräuschlos in den elektronischen Orkus entsorgten.
Wegen Korruption verlieren auch die meisten Gouverneure ihr Amt. Darunter sogar einer, der als Hoffnungsträger der liberalen Opposition galt: Nikita Belych. Seine Ernennung wie auch Abgang sorgten landesweit für Schlagzeilen. Sympathisanten vermuteten bei ihm anfangs politische Motive wie einst beim Kreml-kritischen Oligarchen Michail Chodorkowski. Doch was Belych zur Entlastung vorbrachte, klang wenig überzeugend. Die umgerechnet rund 400.000 Euro, die er in einem Moskauer Restaurant kassiert habe, seien eine Spende für den Straßenbau in seiner Wolga-Region gewesen. Warum der Überbringer einen Raubüberfall riskierte, wo doch in Russland schon ein teures Handy den Besitzer das Leben kosten kann, blieb hingegen unklar.
Putin sagt der Korruption zwar in jeder Rede zur Lage der Nation den Kampf an, und mit Getöse zieht auch Regierungschef Dmitri Medwedew gegen Russlands Erbsünde zu Felde. Doch beim jährlichen Ranking von Transparency International, die das Ausmaß von Korruption weltweit untersucht, findet Russland sich seit Jahren in etwa dort wieder, wo Bananenrepubliken gelistet werden. Daher drängt sich kritischen Beobachtern der Verdacht auf, der Fehler liege wohl im System. Zu Recht.
Laxe Handhabung
Ganze Wälder starben für das Papier, auf dem die verabschiedeten Gesetze zur Korruptionsbekämpfung gedruckt wurden. So müssen Politiker und Beamte die Herkunft von Mitteln für den Kauf von Immobilien und Luxuskarossen nachweisen. Die Anwendung wird aber häufig lax gehandhabt. Macht ist in Russland traditionell so konfiguriert, dass die Herrscher sich die Loyalität von Staatsdienern damit erkaufen, dass sie Augen und Hühneraugen zudrücken – und nur gelegentlich der öffentlichen Meinung ein Opfer in den Rachen werfen. So könnten die Duma-Wahlen am kommenden Sonntag Sachartschenko zum Verhängnis geworden sein. Übrigens: Das Bargeld, das er bei sich hatte, hätte gereicht, um die gesamte Abstimmung zu finanzieren.
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