Atomstreit mit Iran: Gespräche in Bagdad

Atomstreit mit Iran: Gespräche in Bagdad
Der Gipfel in Bagdad startete mit positiven Signalen. Der KURIER analysiert die Schlüsselfragen des Konflikts

Bewegt sich etwas im festgefahrenen Konflikt um das iranische Atomprogramm? Nach Vier-Augen-Gesprächen in Wien deutete gestern auf dem Gipfel in Bagdad alles auf eine baldige Einigung hin. Die fünf Mitglieder des UN-Sicherheitsrates steuern gemeinsam mit Deutschland auf einen Kompromiss mit dem Iran zu. Der KURIER erörtert die Schlüsselfragen.

Worum geht es im Atomstreit eigentlich?

Der Iran verfolgt seit den Zeiten des Schahs ein offiziell friedliches Atomprogramm, das der Energiegewinnung dienen soll. Der Westen vermutet dahinter ein geheimes Programm zum Bau von Atombomben und beruft sich auf die UN-Atombehörde I­AEO, die dem Iran wiederholt mangelnde Kooperation und Geheimhaltung wesentlicher Fakten anlasten.

Wann und warum ist der Konflikt ausgebrochen?

Der Konflikt wurde im Jahr 2002 akut, als durch Aussagen iranischer Regimegegner, Geheimdienste und US-Journalisten bekannt wurde, dass der Iran Atomanlagen betreibt, die er der IAEO verheimlicht hat.

Welche Sanktionen wurden gegen den Iran verhängt?

Gegen den Iran hat der UN-Sicherheitsrat in mehreren Runden Sanktionen verhängt. Durch den Widerstand der Sicherheitsrats-Mitglieder Russland und China blieben diese bis zuletzt relativ beschränkt. Weit härter dagegen wirken die bilateralen Sanktionen, die etwa die USA und die EU verhängt haben. So ein Ölembargo, das ab Juli in Kraft treten soll, und der vollständige Boykott aller iranischen Banken im Ausland. Diese Maßnahmen haben den Iran erstmals wirklich hart getroffen.

Was will der Iran?

Der Iran will sein Atomprogramm uneingeschränkt fortsetzen, auch die umstrittene Anreicherung von Uran, von dem das Land eigene Vorkommen hat. Offiziell will man AKW-Brennstäbe, aber auch strahlendes Material für medizinische Zwecke selbst herstellen. Er fordert ein Ende der internationalen Sanktionen und lediglich routinemäßige Kontrollen durch die IAEO.

Was will der Westen?

Der Westen will ein Ende der Urananreicherung, da der Iran nur auf diese Weise unkontrolliert spaltbares Material für Atombomben herstellen kann. Der Iran soll Nuklear-Brennstoff für sein Atomkraftwerk und andere Atomanlagen aus anderen Ländern beziehen. Außerdem soll die IAEO das gesamte Programm von Grund auf untersuchen.

Was ist der derzeit heikelste Streitpunkt?

Es geht um eine militärische Anlage in Parchin unweit von Teheran. Laut Berichten von Geheimdiensten und Informationen von Regimegegnern sollen dort in tief unter der Erde liegenden Labors Experimente stattfinden, die nur einen Sinn haben können: Den Bau einer Atombombe. Der Iran hat der IAEO zu Jahresbeginn den Besuch der Anlage verweigert – aus formalen Gründen.

Gibt es einen möglichen Kompromiss?

Die Lösung, die sich derzeit anbahnt, könnte so aussehen: Der Iran lässt die umfassende Kontrolle aller seiner Anlagen, also auch von Parchin, zu und stellt seine Urananreicherung unter Aufsicht. Der Westen hebt im Gegenzug einen Teil seiner Sanktionen auf.

Wie groß ist die Gefahr eines Krieges?

Israel soll die Vorbereitungen für einen Luftangriff auf Irans Atomanlagen abgeschlossen haben und drängt seit Monaten auf diesen Militärschlag. Die USA und Europa bleiben skeptisch. Zu Jahresbeginn soll US-Präsident Obama Israels Regierung im letzten Moment von einem Angriff abgehalten haben.

Was wären die Folgen von Luftschlägen?

Militärexperten befürchten mangelnden Erfolg, da viele der Atomanlagen bereits unterirdisch angelegt sind. Außerdem rechnet man mit einem Gegenschlag des Iran, sowohl durch die eigene zuletzt aufgerüstete Armee, aber auch durch Verbündete im Libanon oder im Gazastreifen. Der Ölpreis könnte massiv ansteigen.

Wie der einstige Freund zum Feind wurde

Israel und der Iran waren nicht immer Todfeinde. Während der Regentschaft von Schah Mohammad Reza Pahlavi waren ihre Beziehungen gut. Der Iran zählte zu den ersten Staaten, die 1948 I­sraels Existenzrecht und Unabhängigkeit anerkannten. In den Nahostkriegen betrachtete Israel Teheran als Alliierten. Doch seit der Islamischen Revolution von 1979 fühlt sich Israel ständig bedroht. Das Mullah-Regime sieht Israel als widerrechtlich errichtetes "zionistisches Gebilde". Immer wieder haben ranghohe iranische Politiker mit der "Auslöschung" Israels gedroht. Angesichts dieser brachialen Rhetorik und der Erfahrung des Holocaust will Israels Politik iranische Atomwaffen mit allen Mitteln verhindern – notfalls auch mit militärischen.

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